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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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vermutlich als einziger im voraus wußte, daß der Wunsch des Hollenhusener Rates niemals erfüllt würde – woher er das wußte, das hab ich nie spitz bekommen. Da ist keine Gefahr, sagte er, und mehr sagte er nicht dazu.
    Als er aufstand, knackte es, vielleicht mußten, wie er es selbst einmal erklärt hatte, die Scharniere an seinen Knochen mal wieder geölt werden –, und er sah mich mit gespieltem Schrecken an und machte eine wegwerfende Handbewegung und stakste zu den Quartieren.
    Nein, nein, ich werfe nichts zurück, diese Lehmbrocken nicht und auch nicht diesen Ziegelsplitter, da könnt ihr lange warten, mit mir könnt ihr euern Spaß nicht mehr haben. Ein bißchen lustloser seid ihr schon geworden, das merk ich, man darf euch eben nichts zu Gefallen tun, mitmachen, wie ihr es wollt, oder alles geduldig hinnehmen wie euer Vater.
    Was Guntram Glaser sich nicht alles gefallen ließ! Wie der noch stillhielt, selbst wenn ihr ihm weh tatet! Dies kleine Ratschgewehr, das Pfeile mit einem Gummipfropf verschoß – mit einem Pfropf, der sich festsaugte –, das mußtet ihr gleich an ihm ausprobieren, gleich, nachdem er es euch zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie aßen nicht einmal ihren Schokoladenkuchen zu Ende, auf ein Zeichen rutschten sie von ihren Stühlen, machten sich an den Gabentisch heran, um zu bestaunen, zu begrabschen und auszuprobieren, was da an Geschenken lag – weil ihre Geburtstage nicht einmal eine Woche auseinanderlagen, werden sie immer gemeinsam gefeiert, und beide werden am gleichen Tag beschenkt. Die Bilderbücher und die Metallbaukästen, die sie vom Chef mit einem Diener und artigem Handschlag entgegengenommen hatten, die interessierten sie kaum, auch für Dorotheas Xylophon hatten sie nicht viel übrig; das neue kleine Puppentheater von Ina, das erregte ihre Neugierde, am meisten jedoch beeindruckten sie die beiden Ratschgewehre, die Guntram Glaser ihnen geschenkt hatte.
    Ich sah und hörte, wie sie den Pfeil in den Lauf schoben und die Feder aufzogen, und dann knallten sie zur Probe los, gegen die Bodenvase, gegen das Glas der Terrassentür. Wopf, so saugten sich die Gummipfropfen fest, und die roten Pfeile zitterten. Ihren zweiten Schuß bekam schon Guntram Glaser zu schmecken, er steckte sich gerade eine Zigarette an, als Tim und Tobias auf seinen Rücken zielten und abzogen. Da sprang er wie gestochen auf und erschrak ganz schön, aber mehr als freundlich gedroht hat er nicht. Das half ihm wenig; im Unterschied zum Chef, der ihnen nur ein einziges Mal vorsorglich drohte und daraufhin allen Zielversuchen entging, mußte Guntram Glaser noch mehrere Treffer aushalten; er nahm sie gutmütig hin, etwas säuerlich, doch gutmütig. Erst als Ina ihnen erklärte, daß es kein Puppentheater gäbe, wenn sie ihre Schießerei fortsetzten, ließen sie sich dazu überreden, das Spiel aufzugeben. Mit umgehängten Gewehren machten sie sich über die Reste des Kuchens her und gaben mir durch Blicke zu verstehen, daß sie mich als ihr nächstes Opfer bestimmt hatten.
    Wenn Guntram Glaser Puppentheater spielte, wenn er mit fünf Stimmen sprach, wenn er den Wind vormachte und ein laufendes Feuer, wenn er Schatzsucher auftreten ließ und Räuber und Zirkusreiterinnen, dann konnte man alles vergessen. Mehr als ich freute sich wohl niemand auf die Einweihung des neuen Puppentheaters, denn Guntram Glaser hatte ein ganz besonderes Stück angekündigt, ein Geburtstagsstück: es sollte von einem alten schlauen Bären handeln, der sich auf ein fröhliches Fest von Bärenjägern verirrt – viel mehr wollte er nicht verraten. Als er das ankündigte, klatschte auch Ina in die Hände, nicht nur ich, und Ina sagte auch gleich: Bruno möchte sicher zuschauen, du bist herzlich eingeladen, Bruno. Nach dem Geburtstagskaffee, so wurde beschlossen, sollte die Aufführung stattfinden, und auf Dorotheas Zureden entschied sich auch der Chef, zu bleiben, nur Joachim entschuldigte sich, er mußte angeblich dringende Arbeiten im Büro machen. Wir hatten uns zu früh gefreut.
    Ich weiß noch sein Erstaunen, weiß noch seinen Unmut, als Magda hereinkam und einen Telefonanruf für Guntram Glaser meldete, und nicht nur dies: auf seine Frage, wer es denn sei und ob man den Anrufer nicht auf den nächsten Tag vertrösten könne, hatte sie auszurichten, daß es ein naher Freund sei, auf der Durchreise, einen Namen wollte er nicht nennen. Wie besorgt Ina guckte, als Guntram Glaser sich gegen seinen Wunsch erhob und versprach, es kurz

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