Leola
Agatha«, sagte ich im Plauderton. »Er
pflegte dem Postboten jeden Morgen eine Todesangst einzujagen, weil er sich die
Lunge aus dem Leibe bellte, bis ihm eines Tages der Mann einen Tritt zwischen
die Rippen gab. Von da an hat ihn der Hund, bis er starb, nicht mehr
angebellt.«
Emmanuel
wandte sich mit leicht spöttischem Lächeln Cary zu. »Mike«, sagte er sanft,
»Mr. Holman findet Sie lediglich komisch.«
Ich
wartete gespannt darauf, daß Cary explodieren würde, aber das tat er nicht. Er
kam ohne Eile auf mich zu, Schritt um Schritt. Sein Gesicht war nach wie vor
unbewegt und seine verschleierten grauen Augen ausdruckslos. In den drei
Sekunden, die er brauchte, um auf mich zuzukommen, begriff ich verschiedenes —
zum Beispiel war ich zwar überzeugt, daß er die Pistole in seiner Rechten nicht
abdrücken würde, aber eine Wette hätte ich darauf nicht abschließen können; und
weiterhin, daß ihn mein geschmackloser Vergleich mit Tante Agathas Hund keineswegs
wütend gemacht hatte. Er war ruhig und von tödlicher Zielstrebigkeit, und ich
wünschte, ich hätte meinen großen Mund gehalten. Er blieb unmittelbar vor mir
stehen und preßte leicht den Lauf seiner Waffe in meinen Magen.
»Burschen
wie Sie verspeise ich noch vor dem Frühstück«, sagte er mit seiner gewohnt
ausdruckslosen Stimme. »Vergessen Sie das nicht, Holman .
Warum wollen Sie sich auf Scherereien einlassen?«
Er
trat einen Schritt zurück, und die Pistole ging mit; es schien also nur eine
Warnung gewesen zu sein. Es war offensichtlich nicht die Nacht, in der ich zu
befriedigenden Auskünften fähig war. Ich kam noch nicht einmal den aktuellen
Fragen nahe. Gleich darauf fuhr seine Rechte so schnell auf mich zu, daß ich
nicht einmal den Versuch unternehmen konnte, mich du ducken. Der Pistolenlauf
knallte gegen die linke Seite meines Gesichts wie der Huf eines ausschlagenden
Pferdes und fuhr dann über die Haut herab, wobei ein bißchen Blut zu fließen
begann. Ich hörte einen unterdrückten Schrei von Leola Smith, aber im
Augenblick hegte ich nicht allzuviel Interesse an
meiner Umwelt. Die Kabine kreiste drei-, viermal mit aller Heftigkeit um mich
und kam dann zum Stillstand. Die Fragmente meines explodierten Kopfes fügten
sich wieder zusammen, langsam und schmerzhaft, und lösten einen dumpfen Schmerz
aus, der sich von der rechten Seite meines Gesichts bis zum Schädel erstreckte.
Unwillkürlich rieb ich mit dem Handrücken über die aufgerissene Haut und
stellte dann fest, daß sie blutbefleckt war.
»Mr.
Emmanuel stellt die Fragen«, sagte Cary. »Und Sie antworten ihm.«
»Sie
sagten, Sie arbeiteten nicht für das Studio, sondern für einen privaten
Auftraggeber, Mr. Holman «, schnurrte Emmanuel
beinahe. »Stimmt das?«
Die
Zigarette, die ich in der Hand gehalten hatte, brannte inzwischen ein Loch in
den teuren Teppich unter meinen Füßen. Ich trat sie automatisch aus und nickte
dann. »Das stimmt.«
»Wie
heißt Ihr Auftraggeber?«
»Victor Amory «, sagte ich.
Seine
graubraunen Augen glitten hin und her, bis sie sich schließlich auf Leola Smith
richteten. Sie hielt noch immer den Handrücken gegen den Mund gepreßt — als
Reaktion auf Carys kurzen, wirkungsvollen Pistolenschlag, nahm ich an — , aber
auf die Nennung von Amorys Namen hin zeigte sie
keinerlei Reaktion.
»Ist
er der einzige, der mit der Sache zu tun hat?« bohrte Emmanuel weiter.
»Ich
sprach zuerst mit Miss Smith’ Sekretärin Chloe Benton. Aber sie schien über Amorys Einfall, mich
nach ihrer Chefin suchen zu lassen, nicht sonderlich begeistert«, sagte ich.
»Wie ich schon heute nachmittag erwähnt habe, hielt Amory es für möglich, daß Sie sie entführt hätten.«
»War
das alles?« Emmanuel strich sich mit einem rundlichen Finger über den
Schnurrbart. »Mehr hat er Ihnen nicht gesagt?«
»Nur
den Namen Ihrer Jacht und daß sie hier in Cannes läge. Sie seien während dieser
Jahreszeit immer hier, sagte er.«
»Mehr
hat er also nicht gesagt? Nur meinen Namen?«
Ich
erzählte ihm die Wahrheit, weil ich mir überlegte, daß nichts dabei zu holen
sei, wenn ich ihn anlog. Wenn Leola Smith bei ihm an Bord seiner Jacht war,
weil es ihr so in den Kram paßte , war mein Auftrag
beendet. Dann brauchte ich nur zu Amory zurückzukehren und ihm das zu sagen. Was mich nur innerlich beschäftigte, war
die Frage, wozu die raffinierte Falle gestellt worden war — weshalb man Willi
Lau auf mich angesetzt hatte, damit sie mich an Bord der Jacht lotste. Je
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