Leola

Wahl
blieb, und nahm das Flugzeug nach Paris. Alles war besser, als Klein Leolas
Leben aufs Spiel zu setzen — einschließlich Raphael Emmanuel.«
    »Sie
sehen, Mr. Holman , was für ein Schurke ich bin!«
sagte Emmanuel vergnügt. »Ich weiß nicht, wer von uns beiden der Überraschtere war — ich, als ich Miss Smith’ Geschichte
hörte, oder sie, als ihr klar wurde, daß ich mit der Entführung ihrer Tochter
nichts zu tun hatte.«
    »Ich
bin aus Missouri«, sagte ich.
    »Wie
bitte?«
    »Mr. Holman meint damit, Sie werden es ihm beweisen
müssen«, sagte Leola nervös. »Sie können mir’s glauben, Mr. Holman , es ist bewiesen. Hören Sie sich
bitte seine Geschichte an.«
    »Ray Tolver .« In Emmanuels Stimme lag beinahe etwas wie
Zärtlichkeit, als er den Namen aussprach. »Ich wußte immer, daß er ehrgeizig
ist, aber jetzt, fürchte ich, leidet er an Größenwahnsinn. Als ich zu dem
Schluß kam, es sei Zeit, die — äh — Waffengeschäfte aufzugeben, bei denen sich Tolver viele Jahre lang als sehr fähige rechte Hand
erwiesen hatte, trennten wir uns auf freundschaftliche Weise. Er wollte
weitermachen, und ich verkaufte ihm meine Anteile zu einem anständigen Preis,
um mich danach völlig zurückzuziehen. Ich dachte, er liebe die Aufregung zu
sehr, um aufzugeben. Ich hielt das Ganze auch für eine Dummheit von ihm, aber
das war seine eigene Sache.« Er suchte, sich mit Sorgfalt einen weiteren reifen
Pfirsich aus der Schale heraus. »Obwohl ich mich nun gänzlich vom Geschäft
zurückgezogen habe, arbeiten doch immer noch Agenten für mich. Sie halten mich
über verschiedene Begebenheiten auf der Welt auf dem laufenden, und das
befähigt mich oft dazu, irgendwo schnell Geld anzulegen und schnell Gewinne zu
machen — eine Art Hobby. Verstehen Sie?«
    »So
wie Frauen?« sagte ich.
    Sein
Lächeln war ein wenig mühsam. »Sehr amüsant, Mr. Holman .
Einer meiner Agenten berichtete kürzlich, daß Tolver Castro-Gegner mit einigen der Dinge, die sie dringend brauchten, beliefert
habe. Die letzte — und größte — Ladung ging von Haiti aus, aber die Boote
wurden von Castros Leuten aufgebracht, und alles ging verloren. Meinem
Gewährsmann zufolge hatte Tolver sein gesamtes
Kapital eingebüßt, als die Ladung verlorenging, und man nahm an, daß er nach
Miami zurückgekehrt war, um zu versuchen, dort Geld aufzutreiben. Als mir also
Miss Smith die ganze Geschichte erzählte und dabei Tolvers Namen nannte, wurden mir plötzlich eine Menge Dinge klar. Sie wurden noch
klarer, als ich eine Nachricht von ihm erhielt, in der er mitteilte, er schicke
mir Miss Smith als Geschenk, im Gedenken an alte Zeiten, bitte! Aber die
sichere Rückkehr ihrer Tochter koste drei Millionen Dollar.«
    »Auf
welche Weise will er denn das Geld kassieren?« fragte ich.
    »Ganz
einfach. Das Geld soll auf sein Konto bei einer Schweizer Privatbank eingezahlt
werden. Sie wissen natürlich, wie dort gearbeitet wird. Es ist unmöglich, von
ihnen auch nur die Uhrzeit zu erfahren, geschweige denn Einzelheiten über ihre
Kunden. Der liebe Ray hat nicht einmal seinen gewissen Sinn für Humor
eingebüßt. Er gab mir drei Wochen Frist, das Geld zu bezahlen, denn, so sagte
er, er wisse, daß ich und Miss Smith für eine Weile sehr miteinander
beschäftigt seien.«
    »Und
wenn Sie das Geld nicht zahlen?«
    »O
Gott!« Leola Smith stand auf und taumelte auf die Lounge im Achterdeck zu.
    »Wenn
er das Geld in drei Wochen nicht erhalten hat, dann wird er anfangen,
wöchentliche Erinnerungszeichen zu schicken«, sagte Emmanuel mit gleichmütiger
Stimme. »Jeweils einen Finger.«
    Ich
blickte hinaus über das funkelnde blaue Wasser. Der Hafen war voller Jachten
mit Leuten, die außer Sonne und Vergnügen nichts im Kopf hatten, und ich
spürte, wie mir schlecht wurde.
    »Verstehen
Sie mich recht, Mr. Holman «, sagte Emmanuel mit
derselben gleichmütigen Stimme. »Wenn bis zum Ende der drei Wochen nichts
erfolgt ist, dann will ich das Geld zahlen. Aber das wird Miss Smith’ Tochter
nicht zurückbringen. Tolver wird glauben, daß ich
erstmals wegen einer Frau in die Knie gehe und drei Millionen Dollar zahle, um
sie bei Laune zu halten. Ich werde mehr zahlen müssen.«
    »Wie
steht die Sache jetzt?« murmelte ich.
    »Als
Miss Smith den Ernst der Situation erkannte, wollte sie sofort nach Amerika
zurückstürzen und sich mit der Polizei dort in Verbindung setzen. Eine dumme
Idee, Mr. Holman ! Tolver würde die Tochter in dem Augenblick, in dem er sich in Gefahr