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Leola

Leola

Titel: Leola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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mehr.«
    »Die
Lau.« Walsh blickte mich düster an. »Ist die bei Ihnen zu Hause?«
    Ich
schüttelte den Kopf. »Sie ist bei einer Bekannten. Morgen fliegt sie nach
Europa zurück.«
    »Wir
werden in Ihrem Haus nachsehen«, sagte er gleichgültig. » Wieviel Uhr ist es, Lennie ?«
    Der
Junge blickte auf das riesige verchromte Ungeheuer an seinem dünnen Handgelenk.
»Zehn nach drei.«
    »Ich
glaube, es ist an der Zeit, daß Holman Ray
kennenlernt.« Walsh stand auf. »Gehen wir.«
    Wir
verließen das Büro und gingen vom rückwärtigen Teil des Gebäudes aus ungefähr
hundert Meter weit einen gewundenen, durch eine dichte Baumgruppe führenden
Weg, bis wir zu einer Lichtung kamen. In der Mitte dieser Lichtung hob sich die
Silhouette eines verfallenen Hauses, wahrscheinlich einer alten Scheune, gegen
den Himmel ab. Walsh ging uns voraus hinein und zündete eine alte, an der Wand
hängende Windlampe an. Als das Licht stärker wurde, konnte ich zwei große
Lücken im Dach, den wackligen Heuboden und die zu ihm hinaufführende Leiter
sehen, an der fünf Sprossen fehlten. Lennie schob
mich mit dem Pistolenlauf weiter in die Scheune hinein, bis ich etwa in der
Mitte des Lehmbodens stand, dann wich er zurück und lehnte sich gegen die
nächste Wand.
    »Wo
ist Tolver also nun?« fragte ich.
    »Sie
stehen ziemlich genau über ihm«, sagte Walsh beiläufig, und der Junge kicherte
entzückt.
    Automatisch
blickte ich auf den Lehmboden zu meinen Füßen und sah dann wieder Walsh an. Er
ergriff einen großen Spaten, der dicht neben ihm an der Wand lehnte, und warf
ihn mir zu. Es gelang mir gerade noch, ihn zu fangen.
    »Fangen
Sie an zu graben«, sagte Walsh gleichmütig.
    »Mein
eigenes Grab?«
    »Alles,
was Sie wollten, war, mit Ray Tolver zusammenzutreffen. Jetzt haben Sie die Gelegenheit dazu.« Er grinste flüchtig.
»Im Jenseits können Sie ihm Fragen stellen, soviel Sie wollen, Holman .«
    »Seit
wann ist er tot?«
    »Es
muß jetzt fast einen Monat her sein. Wenn Sie nicht zu nahe bei ihm liegen
wollen, dann kommen Sie ein Stück weiter hierher und fangen Sie da an zu
graben.«
    Ich
gehorchte, stieß den Rand des Spatens in die Erde und stützte mich auf den
Griff. »Wenn Sie mich umbringen wollen«, sagte ich mit gepreßter Stimme, »können Sie hinterher Ihr eigenes Grab schaufeln.«
    »Es
dauert noch ungefähr drei Stunden, bis es hell wird.« Walsh sprach langsam und
in vernünftigem Ton wie zu einem kleinen Kind. »Im Umkreis von anderthalb
Kilometern ist hier niemand, der Sie hören könnte. Graben Sie das Loch, dann
sterben Sie hübsch und sauber, ganz schnell mit einer Kugel im Hinterkopf. Wenn Lennie es für Sie graben muß, kriege ich ’ne Wut im
Bauch, von ihm ganz zu schweigen. Dann sterben Sie sehr langsam. Eine Kugel ins
Bein, eine in den Bauch. Das überlasse ich Lennies Phantasie. Wenn Sie krepierend herumliegen und zusehen wollen, wie er gräbt —
mir soll’s recht sein.«
    Das
war ein hübscher, simpler Vorschlag, und ich traf meine Entscheidung binnen
kürzester Zeit. Ich begann zu graben. Es war eine langwierige und mühsame
Arbeit. Als ich endlich eine ungefähr fünfzehn Zentimeter tiefe, zwei Meter
lange und gut einen halben Meter breite Grube ausgehoben hatte, war ich in
Schweiß gebadet. Ich hielt inne, zog meine Jacke aus und legte die Krawatte ab
und rollte die Ärmel hoch. »Kann ich mir Zeit für eine Zigarette lassen?«
brummte ich.
    Walsh
warf einen Blick auf seine Uhr und nickte dann. »Eine Binde um die Augen werden
Sie nicht brauchen, deshalb können Sie die Zigarette haben. Aber zögern Sie die
Sache nicht hinaus, Holman . Was ich vorhin gesagt
habe, gilt noch, und Lennie hat eine verteufelte
Phantasie.«
    Ich
rauchte langsam die Zigarette und wog meine Chancen ab. Die beiden lehnten
ungefähr drei Meter entfernt an der Wand und beobachteten mich. Walsh blickte
gelangweilt drein, aber die Augen des Jungen waren munter und wachsam, und
seine Pistole war noch immer auf mich gerichtet. Es bestand nicht die geringste
Hoffnung, auch nur die Hälfte der Entfernung zwischen uns zurückzulegen, bevor
er abdrückte und mir eine Kugel in den Leib jagte. Ich rauchte die Zigarette zu
Ende, trat den Stummel aus und begann erneut zu graben.
    Zeit
wurde mehr und mehr zum relativen Begriff; mit jedem Spaten voll Erde, den ich
aushob, wurde das Loch tiefer und meine Lebensspanne um ebensoviel kürzer. Als ich tiefer grub, wurde die Erde lockerer und ließ sich leichter
herausheben. Wie tief mußte ich

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