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Leola

Leola

Titel: Leola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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graben, um Walsh zufriedenzustellen, fragte ich
mich. Einen Meter? Wenn er auf einem Meter zwanzig bestünde, wie lange würde
die zusätzliche Graberei mein Dasein verlängern? Eine
halbe Stunde, eine dreiviertel Stunde? Allzu früh stand ich knietief in der Grube,
und die Erde, die ich ausgegraben hatte, häufte sich in einem großen Hügel
daneben. Ich begann, Mitgefühl mit der Infanterie des Ersten Weltkriegs zu
bekommen. Wenn sie jedesmal beim Vorrücken oder
Zurückweichen Schützengräben auszuheben gehabt hatten, so fragte ich mich,
woher, zum Kuckuck, hatten sie noch die Energie aufgebracht, hinterher zu
kämpfen? Langsam und unerbittlich wurde das Loch tiefer, bis ich bis zu meinen
Oberschenkeln darin stand. Viel länger konnte ich nicht weitermachen. Jeden Augenblick
konnte Walsh nun finden, es sei tief genug, und Lennie befehlen, die Angelegenheit zu erledigen. Es war eine Situation, die ich
innerlich einfach nicht akzeptierte. Bis dahin hatte ich gewußt, daß ich,
solange ich grub, am Leben bleiben würde. Wenn ich jetzt also nach wie vor am
Leben bleiben wollte, mußte ich mir was einfallen lassen.
    Ich
grub einen weiteren Spaten voll Erde aus und richtete mich langsam auf, bis
mein Kopf den Hügel neben der Grube überragte. Dann blickte ich zu Walsh
hinüber. »Wie viele Leichen habt ihr hier eigentlich vergraben?« fragte ich mit gepreßter Stimme.
    »Wovon,
zum Teufel, reden Sie denn da?« knurrte er.
    »Da
ist eine — «, ich schluckte krampfhaft, »eine Hand!«
    »Sind
Sie verrückt?« Er starrte mich eine Sekunde lang an. »Sie sind mindestens einen
Meter weit von Tolver entfernt.«
    »Dann
kommen Sie und schauen Sie es sich selber an«, sagte ich mit heiserer Stimme.
    »Geh
hin und sieh, wovon er da babbelt«, sagte Walsh scharf zu Lennie .
»Wenn es wirklich Tolver ist, dann hat er jedenfalls
tief genug gegraben.«
    »Gut,
Gil.« Der Junge nickte und kam mit wachsamen Augen auf mich zu.
    Mit
dem Anwachsen des Erdhügels lag die Grube in zunehmend tieferem Schatten. Meine
Augen waren daran gewöhnt, aber für Lennie , der aus
dem direkten Licht der Windlampe kam, war alles viel dunkler. Er blieb am Rand
der Grube stehen und starrte zu mir herab.
    »Ich
sehe nichts.«
    »Hier,
direkt unter Ihren Füßen!« fuhr ich ihn an.
    In
der Sekunde, als sich seine Augen bewegten, schleuderte ich ihm einen Spaten
voll Erde geradewegs ins Gesicht und holte dann in einem bösartigen Bogen mit
dem Spaten selbst aus, um ihn ihm mit der Kante gegen die Knie zu schlagen. Er
stieß einen wilden Schrei aus, während er nach vorn in die Grube stürzte. Die
Pistole fiel aus seiner Hand und landete ganz in seiner Nähe. Ich griff
blitzschnell mit der Rechten danach, drehte ihm dann den Arm auf den Rücken und
benutzte ihn als Hebel, um ihn zum Aufstehen zu zwingen. Er schrie noch immer
wie besessen, als ich ihn hochzerrte und ihn als Schild vor mich hielt.
    Walsh
schoß zweimal schnell hintereinander, und Lennie hörte
plötzlich auf zu schreien. Sein Oberkörper sackte auf den Erdhügel ab, und für
den Bruchteil einer Sekunde sah ich Walshs Gesicht — mit weit aufgerissenen,
ungläubigen Augen — , bevor ich Lennies Pistole
abdrückte und immer wieder abdrückte. Der erste Schuß zersplitterte die Wand
ungefähr fünf Zentimeter oberhalb Walshs Kopf. Der zweite hinterließ ein Loch
unterhalb seines rechten Auges, während die beiden letzten Schüsse in seine
Brust eindrangen. Als sein Körper aufschlug, hörte ich auf zu schießen.
    Etwas
später, als meine Hände zu zittern aufgehört hatten, wischte ich Lennies Pistole ab und steckte sie ihm in die Hand. Zu
guter Letzt würden die Leichen ja doch gefunden werden, und ich dachte, dann
würde das Ganze vielleicht wie ein Pistolenduell aussehen, das mit dem Tod der
beiden Männer geendet hatte. Wenn man den übrigen Boden aufgrub, würde Tolvers Leiche gefunden werden. Es lag nahe, dann
anzunehmen, daß Walsh ihn schon früher umgebracht und dann geplant hatte,
dasselbe mit Lennie zu tun, nachdem er ihn gezwungen
hatte, sein eigenes Grab zu schaufeln. Die große Frage lautete dann natürlich,
wie Lennie an die Pistole gelangt war, aber
schließlich gab es bei jedem Mord ungelöste Probleme. Eins war sicher — ich
konnte es mir nicht leisten, mit der Polizei in Kollision zu geraten, während
Leola Smith’ Tochter nach wie vor vermißt war. Ich
wischte den Griff des Spatens ab und ließ ihn dann auf die Erde in der Grube
fallen. Walshs Taschen enthielten meine

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