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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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die Länder des Ostens gereist war – bis nach China. Aber der Bericht war nur kurz und brach mittendrin ab. Mit diesem Bericht waren noch ein Dutzend anderer Blätter verschnürt. Auf ihnen war in einer sehr fremdartig wirkenden Schrift geschrieben worden. Zumindest glaubte Leonardo, dass diese Zeichen tatsächlich eine Schrift waren.
    Die Zeichen waren mit Tinte geschrieben. Dazwischen gab es kleinere Zeilen in arabischer Schrift, die Leonardo schon einmal gesehen hatte. Das Erstaunlichste aber waren die Bleistiftzeichnungen. Leonardo glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Der Verfasser dieser Blätter schien denselben Traum gehabt zu haben wie er – nämlich den Traum vom Fliegen!
     
    L ange blieb Leonardos Blick an den Zeichnungen haften. Sie ähnelten im Grunde den Bleistiftzeichnungen, die er selbst machte.
    Ein Bogenschütze war zu sehen, der von einer Flugmaschine in die Höhe gehoben wurde, um von oben herab auf die Feinde schießen zu können.
    Allerdings musste die Flugmaschine, die ganz ähnlich wie Vögel ausgebreitete Flügel und einen Steuerschwanz hatte, durch eine Schnur gehalten werden, denn offenbar gab es da eine Kraft, die das Fluggerät in die Höhe zog.
    Ein Fluggerät, dem Augen und ein feuerspeiendes Maul aufgemalt waren wie bei einem Drachen! Auf den folgenden Blättern war aufgezeichnet, aus welchen Einzelteilen dieser Flugdrachen bestand und wie man ihn zusammensetzen konnte.
    „Was mag das nur für eine geheimnisvolle Kraft sein, die diesem Gerät innewohnt?“, ging es Leonardo durch den Kopf. Vielleicht war es der Wind? Der war immerhin auch in der Lage, riesige Schiffe über das Mittelmeer zu schieben. Warum sollte der Wind nicht auch in der Lage sein, einen angemalten Drachen mit Papierschwanzin die Höhe zu bringen – oder gar einen Mann, der sich an diesen Drachen dranhängte?
     
    „ D as ist nur die unvollständige Abschrift einer Zusammenfassung“, erklärte Fra Branaguorno. „Die Originale von Marco Polo sind schwer zu beschaffen. Und viele glauben außerdem, dass dieser Marco Polo ein Lügner war, der sich seine Reisen nur ausgedacht hat.“
    „Könnt Ihr diese Schrift lesen, Fra Branaguorno?“
    „Tut mir leid. Lesen kann ich diese Zeichen nicht. Aber ich nehme an, dass es die Schrift aus dem Reich der Mitte sein muss, von dem Marco Polo berichtet.“ Fra Branaguorno sah sich die Blätter noch einmal der Reihe nach an, hielt sie dabei mal etwas weiter von sich entfernt und betrachtete sie anschließend aus der Nähe. Dabei runzelte er immer wieder die Stirn.
    „Was ist denn mit den arabischen Schriftzeichen?“, fragte Leonardo etwas enttäuscht. „Ihr habt doch gesagt, Ihr könntet Arabisch!“
    „Ja, die Notizen dazwischen sind nicht in Arabisch, sondern in persischer Sprache. Die wird auch mit arabischen Buchstaben geschrieben. Ich kann auch etwas Persisch, auch wenn ich noch alles andere als perfekt darin bin. Ich glaube, das ist eine persische Übersetzung der Zeichenschrift, zumindest zum Teil. Der Übersetzer scheint nicht damit fertig geworden zu sein.“
    „Was steht dort?“
    „Cipanku“, murmelte Fra Branaguorno sehr nachdenklich.
    „Was ist Cipanku?“
    „Das ist ein Land, das Marco Polo erwähnt hat und das sich angeblich noch jenseits von China befinden soll. Aber bisher hat niemand geglaubt, dass es auch wirklich existiert.“ 4
    „Könnten die Zeichen nicht die Schrift sein, die in Cipanku üblich ist?“
    „Das wäre möglich. Aber es können auch Zeichen aus irgendeinem anderen Land sein, das wir bisher nicht kennen.“
    „Es scheint in Cipanku üblich zu sein, drachenartige Gebilde aufsteigen zu lassen, um Menschen fliegen zu lassen und aus der Luft die Feinde zu vertreiben. Bitte übersetzt mir das wenige, was dort in persischer Sprache steht! Das ist immerhin noch besser, als dass ich gar nichts darüber wüsste!“
    Der Mönch seufzte. „Na gut“, gab er nach. „Ich will mal nicht so sein, und davon abgesehen hat mich Herr de’ Medici ja angewiesen, dir – beinahe! – jeden Wunsch zu erfüllen.“
    Der Mönch betonte dabei ausdrücklich das Wort „beinahe“.
     
    E s stellte sich heraus, dass Fra Branaguorno nicht ganz so gut Persisch konnte, wie Leonardo gehofft hatte, zudem schienen die mit Bleistift verfassten Anmerkungen auch nicht immer ganz eindeutig zu sein. Manche waren verschmiert. Nur die geheimnisvollen Schriftzeichen aus dem noch geheimnisvolleren Land Cipankumit den dazugehörigen Illustrationen standen in aller

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