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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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nebenan!“
    Daraufhin öffneten zwei Diener eine der Türen zum Nebenraum.
    Piero de’ Medici kam auf Leonardo zu. „Du hattest einen besonderen Wunsch, den ich nicht vergessen habe, Leonardo. Aber ich denke, du wirst zunächst das Bankett genießen wollen.“
    Musik war inzwischen aus dem Nachbarraum zu hören. Offenbar hatte der Stadtherr sogar Spielleute engagiert.
    „Nein, Herr, ich mache mir nichts aus diesem Essen. Morgen werde ich wieder bei meinem Lehrherren in der Malerwerkstatt sitzen müssen – da würde ich lieber die Zeit nutzen, um in Eurer Bibliothek zu stöbern!“
    Piero de’ Medici lächelte nachsichtig. „Also gut. Ein Diener wird dich hinführen.“
    „Ich werde mir das Festbankett auf jeden Fall nicht entgehen lassen“, meinte Clarissa, als der Stadtherr bereits einen Diener herbeirief.

Fliegende Drachen
    D er Diener brachte Leonardo in die tiefen Gewölbe unterhalb des Palastes. Hier hatte schon der alte Cosimo damit begonnen, seltene Schriften zu sammeln, die er auf weiten Reisen in ganz Europa und darüber hinaus zusammengetragen hatte. Ein beträchtlicher Teil des Reichtums der Familie Medici war in diese Bibliothek geflossen. „Es gibt keinen schöneren Ort!“, dachte Leonardo, als er an den langen Regalen entlangging, in denen ein dicker Lederband neben dem anderen stand. Alles wertvolle Handschriften. Manche waren eigens für die Medici-Bibliothek abgeschrieben worden, wenn es nicht möglich gewesen war, das Original zu erwerben.
    An einem Tisch saß ein Mönch mit blassem, hagerem Gesicht und grauweißem Haar. Er war in eine Schriftrolle vertieft. Nun blickte er auf. „Du bist Leonardo?“, fragte er.
    „So ist es“, nickte der Junge.
    „Ich bin zurzeit der Bibliothekar des Hauses Medici“, erklärte der Mönch. „Mein Name ist Fra Branaguorno von Elbara und ich bin schon zusammen mit Cosimo dem Alten durch ganz Europa gezogen, um seltene Schriften aufzustöbern. Und auch der neue Stadtherr verlässt sich auf mein Urteil, wenn es darumgeht, den Wert einer Schrift festzustellen. Herr de’ Medici hat mir gesagt, dass ich heute mit dir rechnen muss.“
    „So sollt Ihr sicher darauf achten, dass ich die Bücher nicht beschädige!“
    „Und dir helfen, sofern du Hilfe brauchst“, ergänzte der Mönch. Er wandte sich an den Diener. „Du wirst nicht mehr gebraucht!“, sagte er ihm, woraufhin der Diener sich verneigte und das Gewölbe verließ.
    „Ich war vor drei Jahren schon einmal mit meinem Vater hier, als Cosimo der Alte noch lebte“, erklärte Leonardo. „Ein bisschen kenne ich mich also aus.“
    Fra Branaguorno lächelte. „Damals war ich für die Medici lange in Spanien unterwegs. Cosimo der Alte war nämlich bis zum letzten Tag seines Lebens daran interessiert, seine Sammlung zu vervollständigen. Kannst du Latein oder Griechisch?“
    „Leider nicht“, sagte Leonardo.
    „Dann wirst du vieles hier nicht lesen können. Aber es gibt auch Schriften, die in den Sprachen so ferner Völker verfasst sind, dass nicht einmal ich sie beherrsche!“
    „Vielleicht werdet Ihr mir ja bei Gelegenheit helfen“, meinte Leonardo.
     
    L eonardo begann, in den alten Schriften zu stöbern. Manche waren zu Büchern gebunden, andere lagen in Form von Schriftrollen vor. Auch die Materialien, auf denen geschrieben worden war, waren höchst unterschiedlich. Neben dem Papier, das sich immer mehr verbreitethatte, gab es auch Pergament, das aus Tierhäuten hergestellt wurde, oder Papyrus. Griechische, lateinische und hebräische Buchstaben waren auf den Blättern zu sehen, es gab aber auch Dokumente in arabischer Schrift.
    Auch auf dem Tisch, an dem der Mönch arbeitete, lagen Blätter in arabischer Schrift, die Fra Branaguorno wohl gerade übersetzte. „Viele Texte der alten Griechen sind nur noch in einer arabischen Übersetzung aufzutreiben“, erklärte der Mönch. „Die Originale gingen verloren, und jetzt versuche ich, das eine oder andere davon in die heutige Sprache zu übersetzen.“
    „Ihr könnt alle diese Sprachen   – Latein, Griechisch, Arabisch?“
    „Ich habe ein paar davon mühsam gelernt“, sagte Fra Branaguorno bescheiden.
     
    D ie Stunden vergingen. Leonardo fürchtete nur, dass man ihn bald holen würde, weil es zu spät geworden war. Er fand einige Schriften in italienischer Sprache, die er gut lesen konnte. Darunter auch die Abschrift eines Reiseberichtes, den ein gewisser Marco Polo aus Venedig verfasst hatte, der vor mehr als hundertdreißig Jahren in

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