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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Klarheit da, weil sie mit Tinte geschrieben waren. Manche dieser Bilder waren sogar bunt angemalt. „Hier scheint es tatsächlich um Drachen zu gehen“, sagte Fra Branaguorno. „Das persische Wort dafür steht hier jedenfalls und es ist mit einem der Schriftzeichen verbunden. Außerdem geht eine Linie zu dem fliegenden   …“ – der Mönch suchte nach dem richtigen Wort – „…
Ding
!“
    „Was braucht man, um es nachzubauen?“, hakte Leonardo nach – denn das interessierte ihn am meisten.
    „Wenn ich das richtig verstehe, wird so ein Drachen aus Papier oder Seide und einem Holzgestänge gemacht. Hier ist auch der Name des Holzes angegeben, aber damit kann ich nichts anfangen.“
    „Vielleicht wächst diese Baumart nur in Cipanku“, meinte Leonardo.
    „Das wäre möglich.“
    „Und wie bekommt der Drachen die Kraft zum Fliegen?“
    „Hier steht durch Luft und Wind. Aber der Perser, der das geschrieben hat, war sich wohl nicht sicher, ob er das wirklich richtig übersetzt oder falsch verstanden hat.“
    Leonardos Entschluss stand in diesem Augenblick fest. Er musste so einen Papierdrachen nachbauen! Im ersten Moment hatte es ihm zwar einen kleinen Stich versetzt, dass offenbar irgendjemand am anderen Ende der Welt seine Erfindung vorweggenommen und sogar schon in die Tat umgesetzt hatte. Aber jetzt dachte ernur noch daran, wie er es schaffen konnte, den Flugdrachen aus Cipanku nachzubauen. „Wisst Ihr, Fra Branaguorno, ich arbeite schon eine geraume Weile daran, Flugmaschinen zu entwerfen, und mir scheint, dieser Flugdrachen ist die Vorform einer solchen Maschine.“
    Der Mönch gab nicht zu erkennen, was er von Leonardos Worten hielt. Er blickte nur auf und musterte den Jungen.
    „Ach, ja?“, fragte er.
    „Natürlich. Ich meine, der Bogenschütze hängt zwar an dem Drachen und wird auch in die Luft gehoben. Aber seht Euch all diese Abbildungen an!“ Leonardo breitete den Blätterstapel aus und legte sie alle nebeneinander, soweit dafür Platz war. „Überall sieht man, dass der Drachen durch eine Schnur gehalten wird! Mein Ziel wäre es, auf diese Verbindung zur Erde zu verzichten – denn nur dann wäre man wirklich frei wie   …“
    „… ein Vogel?“, lächelte Fra Branaguorno. „Du hast ehrgeizige Ziele, Leonardo. Aber du solltest vielleicht auch in Betracht ziehen, dass diese Schnur, mit der der Papierdrachen gehalten wird, aus gutem Grund benutzt wird!“
    „Welcher Grund könnte das sein?“
    Fra Branaguorno zuckte mit den Schultern. „Wenn ich selbst in Cipanku gewesen wäre und bezeugen könnte, dass es dort üblich ist, Papierdrachen und sogar Bogenschützen in die Lüfte steigen zu lassen, dann könnte ich es dir vielleicht sagen.“
    „Bitte gebt mir etwas Papier und einen Bleistift! Ich werde Euch die Bögen ersetzen, schließlich hat mein Vater als Notar genug davon, aber ich muss unbedingt die Zeichnungen kopieren. Schließlich nehme ich nicht an, dass man es mir gestatten würde, die Originale mit nach Hause zu nehmen.“
    „Ganz bestimmt nicht“, lächelte der Mönch. „Aber Papier gibt es hier unten genug, denn hier kommt es häufig vor, dass ein Schriftstück kopiert werden muss. Du kannst es umsonst bekommen, wenn du mir eines versprichst.“
    „Und was?“
    „Falls du es eines Tages schaffen solltest, nicht nur diesen Papierdrachen zu bauen, sondern ihn auch so weiterzuentwickeln, wie du dir das vorstellst, dann solltest du zu verhindern versuchen, dass man deine Erfindung für gottlose Zwecke missbraucht.“
    „Gottlose Zwecke?“ Leonardo runzelte die Stirn. „Was sollte das sein?“
    „Sieh auf die Bilder! Den Leuten in Cipanku hat es offenbar auch nicht ausgereicht, sich am Flug der Papierdrachen zu erfreuen. Sie benutzen sie stattdessen für den Krieg! Und das wird man mit deiner Erfindung auch versuchen, da bin ich mir sicher.“
    „Wenn nur die Guten die Erfindung haben, macht das doch nichts. Im Gegenteil!“
    „Ja, wenn es nur so einfach wäre, junger Freund“, seufzte Fra Branaguorno.
     
    L eonardo schaffte es gerade noch, zwei der Bilder abzuzeichnen, bis der Diener erschien und meldete, dass Leonardos Vater aufzubrechen wünschte. „Einen Moment noch!“, meinte Leonardo. Er hatte von vornherein diejenigen unter den Abbildungen ausgewählt, auf denen man am besten sehen konnte, was man für den Bau eines Drachen brauchte. Außerdem war es Fra Branaguorno noch gelungen, einige der benötigten Gegenstände herauszufinden, wobei natürlich

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