Leonardos Drachen
Abgesandten der großen Familien: den Herrn de’ Sarti, dessen Familie genauso im Wollhandel angefangen hat wie die Medici, aber von diesen immer ein bisschen übertrumpft wurden, was sie bis heute nicht verwinden können. Und die Pazzis, die wahrscheinlich mit dem Fürsten von Mailand und dem Papst unter einer Decke stecken und die Herrschaft der Medici am liebsten beenden würden. Und die Familie von Guiseppe Tardelli, die schon versucht hat, den alten Cosimo umzubringen, der sie dann aus der Stadt warf und später begnadigte, weil man sich im Geheimen irgendwie geeinigt hat. Jeder dieser drei Familien würde ich zutrauen, Mörder anzuheuern, um Piero de’ Medici umbringen zu lassen! Aber das wird man nie beweisen können. Nie!“
„Was ist mit den Vespucci?“, fragte Leonardo.
„Wie kommst du auf die? Den Namen habe ich mal gehört, aber sehr wichtig sind die nicht. Ein kleiner Tuchhändler, der sich unter den Schutz einer der großen Familien stellen muss.“
„Auch wenn du sie nicht für wichtig hältst: Die Vespucci sind seit einer Generation nicht gut auf die Medici zu sprechen. Und abgesehen davon erlauben sie sich den Luxus, ihre Leute mit Stiefeln auszurüsten, die Metallbeschläge mit einem ausgeschnittenen V tragen!“
Leonardos Vater verstand jetzt, warum Leonardo auf die Vespucci gekommen war. „Ah, der geheimnisvolle Kerl, den du gesehen haben willst …“
„Den ich gesehen
habe
!“, beharrte Leonardo.
„Na ja, wie auch immer …“
„Was könnte er bei uns gesucht haben, Vater? Auf jeden Fall ist ja wohl ausgeschlossen, dass es sich um einen der Medici-Wächter gehandelt hat, die bei uns nach dem Rechten schauen sollten.“
Leonardos Vater schien jetzt auch ins Grübeln gekommen zu sein. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Das werden wir schon noch herausfinden“, war er zuversichtlich.
N un betrat Piero de’ Medici den Saal. Er ließ sich auf einem hölzernen Stuhl nieder, der reich verziert war und beinahe wie ein Thron wirkte. Er machte einen sehr angestrengten Eindruck. „Vielleicht liegt das an seinen Gichtanfällen“, fiel Leonardo wieder ein, was sein Vater ihm über den Stadtherrn erzählt hatte.
Die Gespräche im Saal verstummten.
„Ich begrüße alle Anwesenden, mögen sie nun Freunde des Hauses Medici sein oder insgeheim seinen Untergang herbeiwünschen“, begann der Stadtherr zu sprechen. „Glücklicherweise wurde ich gerade noch rechtzeitig gewarnt und konnte es vermeiden, in den Hinterhalt zu reiten, wo die Lunten von einer Handvoll Hakenbüchsen bereits angezündet waren!“ Es herrschte Stille im Raum. Piero de’ Medici stand auf. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn das aufgrund seiner Gichterkrankung große Mühe kostete. Leonardo beobachtete ihn genau. Wenn man ihn im Sattel eines Pferdes sieht, kann man sein Gebrechen nicht erkennen,erinnerte er sich. Aber jetzt, da Piero de’ Medici auf eigenen Beinen stehen musste, war kaum zu verbergen, dass er nicht gesund war. „Da natürlich niemand hier im Traum etwas mit diesem feigen Verbrechen zu tun hat, geschweige denn in Zukunft versuchen wird, mich umzubringen, erwarte ich größtmögliche Unterstützung bei der Ermittlung der Täter“, erklärte der Stadtherr nun.
„Es lebe Piero de’ Medici!“, rief Immanuele de’ Sarti, der für seine Familie gekommen war.
Und Ricardo Pazzi, der ebenfalls einen Sitz in der Senatsversammlung hatte, fiel in diesen Ruf mit ein. „Es lebe Piero de’ Medici! Auch wenn uns viel in der Vergangenheit getrennt haben mag, aber wir sind alle Bürger von Florenz!“
In diesen Ruf stimmten nun alle anderen mit ein. Wie falsch und verlogen das klang! Leonardo wechselte einen kurzen Blick mit Clarissa. Sie schien darüber ganz genauso zu denken wie er.
„Für alle ist ein Festbankett gedeckt und ich denke, dass wir viel zu besprechen haben“, erklärte der Stadtherr nun. „Aber eins möchte ich allen hier Anwesenden noch gesagt haben: Falls – natürlich wider Erwarten! – doch jemand hier im Saal sein sollte, der sich gegen das Haus Medici schuldig gemacht hat, der sollte wissen, dass ihn das Schlimmste erwartet und er sich am besten so schnell wie möglich an einen entfernten Ort begibt, solange ihm dafür noch Zeit bleibt.“ Das Lächeln des Stadtherren wirkte gezwungen, als er dann noch hinzufügte: „Und nun wünsche ich allen Anwesendeneinen angenehmen Abend und einen guten Appetit! Angerichtet ist im Bankettsaal
Weitere Kostenlose Bücher