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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Überfall stattfand. Clarissa – komm mit und hilf mir! Alleine schaffe ich das nicht! Melina musst du ja nichts sagen. Schließlich wollen wir ja unnötigen Ärger vermeiden.“
    „Und die Arbeit in der Malerwerkstatt? Was hast du dir dafür ausgedacht?“
    Leonardo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wozu gibt es den heiligen Sonntag? Bis dahin habe ich auch alles vorbereitet.“
    Clarissa seufzte. „Ich überlege es mir noch“, versprach sie.
    Leonardo lächelte. „Dann habe ich gewonnen!“, dachte er. Denn wenn sie schon zusagte, es sich zu überlegen, würde sie auch mitmachen. Das war bisher immer so gewesen. Inzwischen kannte er sie gut genug, um das beurteilen zu können. „Tja, kann sein, dass ich dich gerade nicht so richtig habe zu Wort kommen lassen. Weswegen bist du eigentlich in mein Zimmer gekommen?“
    „Ich wollte mit dir eigentlich über diesen Kerl reden, der da plötzlich aus der Dunkelheit kam. Glaubst du, der hat etwas mit dem Mordanschlag auf den Stadtherrn zu tun?“
    Leonardo kratzte sich am Kinn. „Ich weiß es nicht. Leider kann ich auch nicht einfach in das Haus der Vespuccis marschieren und mal nachfragen.“
    „Er hat dir eine ziemlich eindeutige Warnung zukommen lassen!“
    „Du meinst das mit dem Kopf verlieren, wenn man den Mund zu weit aufmacht?“
    „Du solltest das ernst nehmen, Leonardo. Es geht hier anscheinend darum, wer die Macht in der reichsten Stadt der Welt in den Händen hält – und da ist jedes Mittel recht!“

Verfolgt!
    A m nächsten Morgen wachte Leonardo viel zu spät auf. Aber da er in seiner Kleidung geschlafen hatte – er war beim Bau seines Drachen schließlich vor Erschöpfung eingeschlafen   –, brauchte er sich immerhin nicht mehr anziehen. Waschen musste heute ausfallen, das Frühstück ebenfalls. Leonardo raste die Treppe hinunter, verabschiedete sich durch einen lauten Ruf und stürmte hinaus. Im Dauerlauf rannte er zur Werkstatt von Meister Andrea, wo er vollkommen außer Atem ankam. So war er schon lange nicht mehr gerannt.
    „Na, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr“, maulte Meister Andrea. „Um ehrlich zu sein, dann hätte ich Pinsel und Palette hingeworfen und wäre in meiner Verzweiflung in die nächste Kirche zum Beten gegangen!“
    „Was ist denn geschehen?“, fragte Leonardo.
    „Botticelli, mein Fässchen! Es ist davongerollt – geradewegs in Meister Lippis Werkstatt, wie ich befürchtete! Er hat mich schmählich im Stich gelassen, dabei hätte er bei mir noch so viel lernen und zu seiner wahren Vollendung finden können.“ Er ruderte mit den Armen. „Wer soll jetzt die ganze Arbeit machen? Wir haben ja sowieso schon so viel zu tun, dass wir kaum hinterherkommen!Aber nein, die heutigen Maler vertragen keine Kritik mehr. Da meckert man mal ein bisschen an diesem und jenem herum, um ihre wahren Fähigkeiten aus ihnen herauszukitzeln, und was tun diese verweichlichten, ach so empfindlichen Herrschaften dann? Sie flüchten einfach in die nächste Werkstatt!“ Meister Andrea ballte die Hände zu Fäusten. „Lippi, du Lump! Verlass dich nur nicht auf dieses Fässchen! Wenn du es am dringendsten brauchst, wird es einfach verschwunden sein wie eine Fata Morgana.“
    Er wirbelte herum und wandte sich an Leonardo, Perugino und die anderen Gesellen und Lehrlinge in der Werkstatt. „Worauf wartet ihr? An die Arbeit!“
    Leonardo unterdrückte mit aller Macht ein Gähnen.
     
    A n diesem Tag kam Ricardo Pazzi, um sich malen zu lassen. Leonardo durfte eine Skizze des Kopfes machen. Meister Andrea machte sicherheitshalber ebenfalls eine Skizze. „Man sagt schon, die Medici-Bank sei nicht mehr sicher, Meister Andrea“, sagte das Oberhaupt der Pazzi-Familie, den Leonardo bereits flüchtig auf dem Fest im Palazzo Medici gesehen hatte. Er war ein großer, dicker Mann, dessen Wams wahrscheinlich doppelt so viel Stoff brauchte, wie es bei anderen Männern seiner Größe der Fall war. „Ich will ja keine üblen Gerüchte in die Welt setzen und ich weiß ja auch, wie schlimm sich solche Gerüchte auswirken können, wenn plötzlich alle Leute, die Banknoten der Medici-Bank besitzen, diese zur selben Zeit wieder gegen Gold und Silber umtauschen wollen.“ Er zuckte die mächtigenSchultern, und Leonardo verfluchte ihn innerlich – nicht deshalb, weil er vielleicht Banditen beauftragt hatte, den Stadtherren umzubringen, sondern weil er seinen Gesichtsausdruck so sehr veränderte, dass Leonardo seine Skizze noch mal von vorn

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