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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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dann auf einigen Blättern, die aus einem unsagbar fernen Land stammen, sehen? In diesem Land   – Cipanku – hat man es bereits geschafft! Und es scheint ganz einfach zu sein! Gut, die Cipanku-Leute müssen sich beim Fliegen an der Leine führen lassen wie Esel und Pferde – aber es wird mir schon gelingen, da auch noch eine Verbesserung zu erreichen, wenn ich es erst einmal geschafft habe, so einen Flugdrachen in die Lüfte fliegen zu lassen!“
    „Meinst du das hier?“, fragte Clarissa und nahm eines der Blätter, auf denen Leonardos Zeichnungen zu sehen waren, die er in der Bibliothek der Medici angefertigt hatte.
    „Genau!“
    „Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet, als ich vorhin in dein Zimmer kam und die Zeichnungen sah!“
    „Ich habe sie aus den Schriften abgezeichnet, die ich in der Bibliothek der Medici gefunden habe. Sie müssen über China und die Seidenstraße bis hierher nach Florenz gelangt sein   … Unvorstellbar!“
    „Leonardo   …“
    „Stell dir vor, da gibt es ein Land, das Cipanku genannt wird, wo Bogenschützen mit Drachenflügeln in die Höhe steigen   …“ Die Worte sprudelten nur so über Leonardos Lippen. Voller Begeisterung schilderte er ihr die Unterhaltung mit Fra Branaguorno und seine Pläne, die er nun hatte. „Was sagst du dazu?“, fragte er schließlich.
    „Wenn du mich mal zu Wort kommen lassen würdest, könnte ich dir auch meine Meinung sagen“, erwiderte Clarissa.
    „Und?“
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Das klingt alles sehr faszinierend und mich würde es auch interessieren, ob so ein Papierdrachen fliegen kann. Aber zwei Dinge solltest du bedenken!“
    „Und was?“
    „Es könnte sein, dass alles nur eine ausgedachte Geschichte ist, Leonardo. Denk doch mal darüber nach! Ein Text, den niemand lesen kann und von dem nur irgendein unbekannter Perser ein paar Zeilen in seine Sprache übersetzt hat, von denen du nicht weißt, ob Fra Branaguorno die Bedeutung richtig erfasst hat   …“
    „Ja, aber   …“
    „… und dann die Illustrationen mit den Drachen. Schön bunt! Leonardo, nicht nur in Cipanku oder China,sondern auch bei uns erzählt man sich dramatische Geschichten über Drachen, von denen niemand weiß, was daran wirklich wahr ist!“
    „So etwas war das nicht“, meinte Leonardo. Andererseits hatte es Clarissa durchaus geschafft, ihn zu verunsichern.
    „Du willst nicht, dass es so ist. Aber wenn du genauer darüber nachdenkst, dann wirst du zugeben müssen, dass es doch zumindest möglich wäre: Eine Drachengeschichte mit dramatischen Bildern, in denen es um einen Bogenschützen geht. Der lässt sich dann von einem Drachen in die Luft tragen und irgendjemand anderes – vielleicht der Held dieser Geschichte – fängt den Drachen mit einem Seil ein.“
    „So ein Unsinn, Clarissa!“
    „Nein, es ist nur eine andere Möglichkeit, und solange weder du noch dieser Fra Branaguorno die Zeichen auf den Blättern zu entziffern vermögen, ist sie genauso wahrscheinlich wie das, was du bisher annimmst!“
    Leonardo zuckte mit den Schultern. „Wir probieren es einfach aus.“
    „Wir?“
    „Ja, habe ich das noch nicht gesagt? Ich brauche deine Hilfe. Einer muss den Drachen in die Luft halten, und der andere zieht an der Schnur. So war das auf den Zeichnungen in der Medici-Bibliothek.“
    „Du planst mich einfach als Gehilfin in deinen Experimenten ein?“
    Leonardo stemmte die Hände in die Hüften. „Na, erlaube mal, ich gebe dir die Chance, an einer gewaltigenEntdeckung teilzuhaben. Vielleicht werden wir die ersten Menschen sein, die es schaffen, einen Gegenstand in die Luft schweben zu lassen!“
    „Die ersten Menschen außerhalb von Cipanku“, korrigierte Clarissa.
    „Cipanku liegt ja sehr weit weg. Das kennt hier niemand, also zählt es nicht. Clarissa, du wirst berühmt werden. Und später kannst du vielleicht einen größeren Drachen mit Riemen an deinen Schultern festschnallen und dann sogar selbst fliegen   …“
    „… und hinterher abstürzen. Nein, danke! Auf diese Weise möchte ich nicht berühmt werden!“
    „Erst mal geht es ja nur um einen kleinen Drachen, der nur sich selbst tragen kann“, versuchte Leonardo sie zu beruhigen.
    „Mal angenommen, das klappt überhaupt – hast du mal darüber nachgedacht, dass man dich wegen Hexerei anzeigen könnte?“
    „Deswegen würden wir ja auch an einen Ort gehen, an dem man unsere Versuche nicht gleich mitbekommt. Ich dachte an die Anhöhen, bei denen der

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