Leopard
die Helme und Visiere der acht Polizisten, die in tiefe Meditation versunken zu sein schienen.
Kaja und Harry saßen ganz hinten im Wagen. Harry trug eine schwarze Jacke mit gelbem Polizeischriftzug auf Brust und Rücken. Er hatte seinen Dienstrevolver hervorgeholt, um sich zu vergewissern, dass er vollständig geladen war.
»Acht Männer vom Einsatzkommando plus Saftmixer«, sagte Kaja und spielte damit auf das Blaulicht auf dem Dach des Wagens an. »Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«
»Das ist Absicht«, sagte Harry. »Wenn publik werden soll, wer diese Festnahme vorgenommen hat, brauchen wir einen etwas höheren Partyfaktor als sonst.«
»Ist was zur Presse durchgesickert?«
Harry sah sie an.
»Ich meine, wenn du Öffentlichkeit willst«, sagte sie. »Stell dir mal vor, der Promi Leike festgenommen wegen Mordes an Marit Olsen. Da kommt nicht mal die Geburt einer Prinzessin mit.«
»Und was, wenn seine Verlobte da ist?«, fragte Harry. »Oder die Mutter? Sollen die auch live ins Fernsehen?« Er gab dem Revolver einen seitlichen Impuls, und die Trommel klickte wieder an ihren Platz.
»Warum dann der Partyfaktor?«
»Die Presse kommt anschließend«, sagte Harry. »Die werden die Nachbarn befragen, die Passanten und so weiter, und auf dem Weg erfahren, welch grandiose Show das war. Das reicht. Keine Unschuldigen betroffen, und wir kriegen trotzdem unsere Titelstory.«
Als im nächsten Tunnel die Schatten über ihn huschten, musterte sie ihn verstohlen. Sie fuhren über Majorstua den Slemdalsveien bergauf und passierten Vinderen, als ihr auffiel, dass er mit gequälter, fast ungeschützter Miene aus dem Seitenfenster zur Straßenbahnhaltestelle schaute. Am liebsten hätte sie seine Hand genommen und etwas gesagt, um diesen Schmerz aus seinem Gesicht zu nehmen. Sie betrachtete seine Hand. Seine Finger umklammerten den Revolver, als hätten sie nur ihn. So durfte es nicht weitergehen, sonst würde etwas zu Bruch gehen, wenn es nicht längst zu Bruch gegangen war.
Sie fuhren immer weiter bergan, und die Stadt breitete sich unter ihnen aus. Sie rollten über die Straßenbahnschienen, als es zu blinken begann und sich die Schranke hinter ihnen schloss.
Dann waren sie im Holmenveien.
»Wer kommt mit mir zur Tür, Milano?«, rief Harry nach vorn zum Beifahrersitz. »Delta drei und vier«, rief Milano zurück, drehte sich um und deutete auf einen Mann, der sich mit Kreide eine große Drei auf Brust und Rücken seines Overalls geschrieben hatte. »Okay«, sagte Harry. »Und der Rest?«
»Zwei Mann auf jeder Seite des Hauses. Prozedur Dyke 1-4-5.«
Kaja wusste, dass das ein Kürzel für die Vorgehensweise war. Wie beim American Football ging es darum, schnell und für den Gegner unverständlich zu kommunizieren, sollte es diesem gelingen, die Funkfrequenz abzuhören, die Delta nutzte. Ein gutes Stück vor Leikes Haus hielten sie an. Sechs Männer überprüften ihre MP-5 und sprangen aus dem Wagen. Kaja sah sie durch die großen Nachbargärten mit braunem, welkem Gras, kahlen Apfelbäumen und den hohen Hecken, die sie hier im Westen der Stadt kultivierten, vorrücken. Sie schaute auf die Uhr. Es vergingen vierzig Sekunden, bis sich Milanos Funkgerät knisternd meldete: »Alle am Platz.«
Der Fahrer ließ die Kupplung kommen, und sie fuhren langsam zum Haus vor.
Tony Leikes noch relativ neuer niedriger hölzerner Designerbau war gelb und eher protzig als architektonisch interessant, irgendwo zwischen Bauhaus und Holzkiste, tippte Kaja.
Der Wagen stellte sich quer vor die beiden Garagentore am Ende der gekiesten Einfahrt, die zur Haustür führte. Bei einem Geiseldrama vor ein paar Jahren in Vestfold, bei der das Einsatzkommando ein Haus umstellt hatte, war den Geiselnehmern die Flucht gelungen, indem sie sich in die Garage geschlichen hatten, die mit dem Haus verbunden war, und mit dem Auto des Opfers einfach an den schwerbewaffneten Polizisten vorbeigerollt waren, die ihnen entgeistert nachgeschaut hatten.
»Bleib hinter uns und komm mit«, sagte Harry zu Kaja. »Beim nächsten Mal bist du an der Reihe.«
Sie stiegen aus. Harry ging auf das Haus zu, hinter ihm, leicht versetzt, die beiden Kommandopolizisten, so dass sie ein Dreieck bildeten. An Harrys Stimme erkannte Kaja, dass sein Puls schneller ging, ebenso an seiner Körpersprache, dem angespannten Nacken und den übertrieben lässigen Bewegungen.
Sie gingen die Treppe hoch, und Harry klingelte zweimal. Die anderen beiden hatten sich, den Rücken
Weitere Kostenlose Bücher