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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Chef, wie er von Tag drei an genannt wurde. Die Zukunft hatte gut ausgesehen für Truls, und mehr als gut für Mikael. Bis so ein dummes Arschloch aus der Lohnabteilung Bellman beschuldigte, ihm nach der Weihnachtsfeier den Kiefer gebrochen zu haben. Es gab keine Beweise, und Truls wusste definitiv, dass Mikael es nicht gewesen war. Trotzdem beantragte Mikael die Versetzung und bekam einen Job bei Europol, zog in das Hauptbüro in Den Haag und stieg schnell als Stern am Himmel von Europol auf.
    Als Mikael zurück nach Norwegen und ins Kriminalamt kam, hatte er sich gleich bei Truls gemeldet. Mit seinem zweiten Anruf. »Beavis, bist du bereit, wieder Ratten zu sprengen?« Mit seinem ersten Anruf hatte er Jussi eingestellt.
    Jussi Kolkka beherrschte ein halbes Dutzend Kampftechniken, deren Namen man schon wieder vergessen hatte, bevor man sie zu Ende ausgesprochen hatte. Er hatte vier Jahre für Europol gearbeitet und war davor Polizist in Helsinki gewesen. Jussi Kolkka musste Europol verlassen, weil er bei den Ermittlungen in einer Vergewaltigungsserie an Teenagerinnen in Südeuropa zu weit gegangen war. Kolkka hatte einen der Vergewaltiger so gründlich in die Mangel genommen, dass selbst dessen Anwalt Probleme hatte, ihn wiederzuerkennen. Viel weniger Probleme hatte dieser Anwalt dann aber damit, Europol mit einer Klage zu drohen. Truls hatte versucht, Jussi weitere Details zu entlocken, aber der hatte ihn nur stumm angeglotzt. Doch auch Truls hatte gelernt, dass es sich lohnte zu schweigen. Je weniger man sagte, desto größer die Chance, dass die Leute einen unterschätzten. Was zwischendurch nicht das Schlechteste war. Wie auch immer. An diesem Abend hatte er Grund zum Feiern, hatten doch Mikael, seine Wenigkeit, Jussi und das Kriminalamt den Sieg davongetragen. Und da Mikael selber nicht vor Ort gewesen war, konnten sie das Ruder übernehmen. »Klappe!«, rief Truls und zeigte auf den Fernseher, der an der Wand über dem Tresen des Justisen hing. Er hörte sein eigenes, nervös schnorchelndes Lachen, als die Kollegen tatsächlich taten, was er sagte. Es wurde still an den Tischen und am Tresen. Alle starrten den Nachrichtensprecher an, der direkt in die Kamera schaute, als er verkündete, worauf sie alle gewartet hatten:
    »Das Kriminalamt hat heute einen Mann verhaftet, der des fünffachen Mordes verdächtigt wird, unter anderem an Marit Olsen.«
    Bierhumpen wurden geschwungen, und Jubel brach los, der die Fortsetzung übertönte, bis eine dunkle Stimme mit finnischschwedischem Akzent brüllte: »Ruhe jetzt!«
    Die Kripos-Leute gehorchten und richteten ihre Aufmerksamkeit auf Mikael Bellman, der mit einem zotteligen Mikrophon vor ihrem Dienstgebäude in Bryn stand.
    »Der Verdächtige wird vom Kriminalamt vernommen und danach dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden«, sagte Mikael Bellman.
    »Wollen Sie damit sagen, dass die Polizei den Fall gelöst hat?«
    »Es sind zwei verschiedene Dinge, den Schuldigen zu finden und ihn zu verurteilen«, sagte Bellman mit einem winzigen Lächeln im Mundwinkel. »Aber unsere Ermittlungen im Kriminalamt haben so viele Indizien und Übereinstimmungen aufgedeckt, dass wir uns zur sofortigen Festnahme entschlossen haben, es besteht Wiederholungsgefahr und das Risiko der Verschleierung.«
    »Der Festgenommene ist ein Mann um die dreißig. Können Sie mehr über ihn sagen?«
    »Er ist früher schon einmal wegen grober Körperverletzung verurteilt worden, das ist alles, was ich dazu sagen kann.«
    »Im Internet kursieren Gerüchte über die Identität des Betreffenden. Er soll ein bekannter Investor sein, der unter anderem mit der Tochter eines berühmten Reeders verlobt ist. Können Sie diese Gerüchte bestätigen, Bellman?«
    »Ich werde nichts anderes bestätigen oder entkräften, als dass wir vom Kriminalamt die große Hoffnung haben, diesen Fall sehr bald aufklären zu können.«
    Der Reporter drehte sich für einen Abspann zur Kamera um, wurde aber von den Klatschsalven im Justisen übertönt.
    Truls bestellte noch ein Bier, während einer der Ermittler auf einen Stuhl stieg und grölte, das Dezernat für Gewaltverbrechen könne seinen Schwanz lutschen, zumindest die Spitze, wenn sie ganz lieb bitte sagten. Gelächter wogte durch das gestopft volle, nach Schweiß riechende Lokal.
    In diesem Augenblick ging die Tür auf, und im Spiegel sah Truls eine Gestalt den Türrahmen ausfüllen.
    Der Anblick des Mannes versetzte ihn in einen merkwürdigen Erregungszustand, es war die

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