Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
warum. Wie dem auch sei, er könnte durchaus die Richtung gewechselt haben, sobald er außer Sichtweite war, und dann doch zu einer anderen Hütte gelaufen sein.«
    »Natürlich«, sagte Kaja und blickte auf die Uhr.
    »Gab es übrigens Rückmeldungen auf den Aufruf, sich bei der Polizei zu melden?«
    »Nein«, sagte Kaja.
    »Sie sehen aus, als würden Sie ja meinen.«
    Kaja hob kurz den Blick und sah Aslak Krongli in die Augen, der abwehrend die Hände hob. »Dummer Bauer in der Stadt! Tut mir leid, das geht mich wirklich nichts an.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Kaja. Sie starrten beide in ihre Tassen.
    »Sie sprachen von zwei Dingen, die interessant sein könnten«, sagte Kaja. »Was ist das zweite?«
    »Ich weiß, dass ich es wahrscheinlich bereuen werde«, sagte Krongli. Das stumme Lachen war wieder in seinen Augen. Kaja begriff im selben Augenblick, welche Richtung das Gespräch nehmen würde, und gab ihm recht; er würde es bereuen.
    »Ich wohne heute Nacht im Plaza. Hätten Sie nicht Lust, dort heute Abend mit mir zu essen?«
    Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, wie leicht ihr eigener zu lesen war.
    »Ich kenne sonst niemanden in der Stadt«, sagte er und verzog den Mund zu einer Grimasse, die vielleicht ein entwaffnendes Lächeln sein sollte. »Abgesehen von meiner Ex natürlich, aber die traue ich mich nicht anzurufen.«
    »Das wäre sicher nett…«, begann Kaja und machte eine Pause. Konjunktiv. Sie sah, dass Aslak Krongli seine Worte bereits bereute.
    »… aber heute Abend habe ich keine Zeit.«
    »Völlig in Ordnung, war ja auch ein bisschen kurzfristig«, erwiderte Krongli lächelnd und fuhr sich mit den Fingern durch die wilden Locken. »Und morgen?«
    »Ich … äh, hab zurzeit ziemlich viel um die Ohren, Aslak.«
    Der Polizist nickte vor sich hin. »Klar, klar. Sie haben zu tun. Der, der bei Ihnen war, als ich gekommen bin, ist das der Grund?«
    »Nein, der ist nicht mein Chef.«
    »Ich dachte nicht an Chefs.«
    »Oh?«
    »In Ustaoset haben Sie gesagt, Sie hätten sich in einen Polizisten verliebt. Und eben hatte ich das Gefühl, dass es ihm ganz leichtfiel, Sie zu überreden. Leichter als mir auf jeden Fall.«
    »Nein, nein, sind Sie verrückt, er doch nicht! Ich … ich hatte an dem Abend wohl ein bisschen zu viel getrunken.« Kaja hörte ihr eigenes albernes Lachen und spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Ja, ja«, sagte Krongli und trank seinen Kaffee aus. »Dann werde ich mich mal hinaus in die große, kalte Stadt begeben. Es gibt sicher Museen, die man sich anschauen sollte, und Bars, die einen Besuch wert sind.«
    »Ja, nutzen Sie die Gelegenheit.«
    Er zog seine Augenbrauen hoch, und seine Augen weinten und lachten gleichermaßen. Wie Evens Augen in seinen letzten Tagen.
    Kaja begleitete ihn nach unten. Als er ihr die Hand gab, rutschte es über ihre Lippen:
    »Rufen Sie mich an, wenn es zu einsam wird, vielleicht kann ich ja doch kurz kommen.«
    Sie deutete sein Lächeln als Dank für diese Chance, ihr Angebot auszuschlagen oder es wenigstens nicht zu nutzen.
    Als Kaja mit dem Aufzug wieder nach oben in die sechste Etage fuhr, dachte sie an seine Worte:
» … leicht fiel, Sie zu überreden«.
Wie lange hatte Krongli eigentlich in der Tür gestanden und ihnen zugehört?
    Um ein Uhr klingelte das Telefon auf Kajas Schreibtisch. Es war Harry. »Ich habe endlich den Haftbefehl bekommen! Alles klar?«
    Sie spürte ihr Herz schneller schlagen. »Ja.«
    »Weste?«
    »Weste und Waffen.«
    »Für die Waffen ist das Einsatzkommando zuständig. Die sitzen unten vor der Garage in einem Wagen, du musst nur noch runterkommen. Und bring bitte den Haftbefehl mit, der liegt in meinem Postfach.«
    »Okay.«
    Zehn Minuten später fuhren sie in einem der blauen Zwölfsitzer des Einsatzkommandos Delta in westlicher Richtung durch das Zentrum von Oslo. Harry brachte sie auf den neuesten Stand, eine halbe Stunde zuvor hatte er in dem Gemeinschaftsbüro angerufen, in dem Leike sich eingemietet hatte, und man hatte ihm dort gesagt, Leike arbeite an diesem Tag zu Hause. Dann hatte er Leikes Festnetznummer gewählt und sofort wieder aufgelegt, als Leike sich meldete. Er war also zu Hause.
    Harry hatte explizit darum gebeten, dass Milano die Operation leitete. Ein dunkler, gedrungener Mann mit üppigen Augenbrauen, der seinem Namen zum Trotz aber keinen Tropfen italienisches Blut in seinen Adern hatte.
    Als sie durch den Ibsentunnel fuhren, huschte Licht in kleinen, reflektierenden Rechtecken über

Weitere Kostenlose Bücher