Leopard
Krongli«, sagte Kaja. »Was verschlägt einen Burschen vom Land in die große, böse Stadt?«
»Das Übliche, nehme ich an«, antwortete der Polizist aus Ustaoset. »Abenteuer, Neonlicht und das Bad in der Menge?«
Aslak lächelte. »Die Arbeit. Und eine Frau. Darf ich Sie auf eine Tasse Kaffee einladen?«
»Im Augenblick nicht«, sagte Kaja. »Es tut sich grad was, da kann ich die Festung nicht verlassen. Aber ich spendiere gern einen Kaffee in unserer Kantine. Die ist in der oberen Etage. Wenn Sie schon mal vorgehen, erledige ich noch schnell einen Anruf.«
Er streckte den Daumen in die Luft und ging.
Kaja schloss die Augen und holte tief und zitternd Luft.
Die Büroräume der Staatsanwaltschaft befanden sich in der roten Zone in der sechsten Etage. Die Juristin, eine junge Frau, die in Harrys Abwesenheit eingestellt worden sein musste, sah ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an, als er eintrat.
»Ich brauche einen Haftbefehl«, sagte Harry.
»Und Sie sind?«
»Harry Hole, Kriminalhauptkommissar.«
Er reichte ihr seinen Ausweis, obwohl er ihrer hektischen Reaktion entnehmen konnte, dass sie bereits von ihm gehört hatte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was. Sie notierte seinen Namen auf dem Plan für Festnahmen und Durchsuchungen und starrte übertrieben häufig auf den Ausweis, als wäre die Schreibweise seines Namens ungeheuer kompliziert.
»Zwei Kreuze?«, fragte sie.
»Bitte«, sagte Harry.
Sie kreuzte sowohl Festnahme als auch Durchsuchung an und lehnte sich übertrieben lässig zurück, Harry empfand das als ein Nachäffen der von routinierteren Polizeianwälten gerne eingenommenen Sie-haben-dreißig-Sekunden-um-mich-zu-überzeugen-Haltung.
Aus Erfahrung wusste er, dass das erste Argument für die Entscheidung der Polizeijuristen das wichtigste war. Also begann er mit dem Anruf Tony Leikes bei Elias Skog zwei Tage vor dem Mord. Er untermauerte das Argument damit, dass Leike in seinem Gespräch mit Harry behauptet hatte, Skog nicht zu kennen und folglich nicht in der Hävasshütte mit ihm gesprochen zu haben. Das zweite Argument war die Verurteilung Leikes wegen schwerer Körperverletzung, die Leike selbst als Mordversuch bezeichnet hatte. Harry spürte bereits jetzt, dass der Haftbefehl im Kasten war. Dennoch zuckerte er das Ganze noch mit den Treffern Kongo und Lyseren, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen.
Sie nahm die Brille ab.
»Ich bin grundsätzlich positiv eingestellt«, sagte sie. »Brauche aber noch ein wenig Bedenkzeit.«
Harry fluchte innerlich. Ein erfahrener Staatsanwalt hätte ihm den Schein sofort ausgestellt, sie aber war wohl noch so neu im Job, dass sie sich erst bei einem ihrer Kollegen absichern wollte. An ihrer Tür hätte das Schild »Auszubildende« hängen sollen, dann hätte er gleich zu einem der anderen gehen können. Jetzt war es zu spät.
»Es eilt«, sagte Harry.
»Wieso?«
Mit ihrer Frage hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Harry wedelte vage mit der Hand durch die Luft, ohne etwas zu erwidern.
»Ich werde meine Entscheidung gleich nach dem Mittagessen fällen …« Sie schaute auffällig auf ihren Plan. »… Hole. Und lege den Schein dann gegebenenfalls in Ihr Postfach.«
Harry biss die Zähne zusammen, um keine voreilige Bemerkung zu machen. Er wusste, dass ihr Vorgehen korrekt war.
Ganz offensichtlich versuchte sie die Tatsache zu kompensieren, dass sie jung und unerfahren und eine Frau in einer von Männern dominierten Branche war. Aber sie zeigte den Willen, sich Respekt zu verschaffen, und stellte bei der ersten Gelegenheit klar, dass Dampfwalzentaktik bei ihr nicht zog. Gut. Trotzdem hätte er ihr gern die Brille von der Nase genommen und sie in der Mitte zerbrochen.
»Wären Sie so freundlich, mich unter meiner Durchwahl anzurufen, wenn Sie sich entschieden haben?«, sagte er. »Mein Büro ist momentan ziemlich weit weg von den Postfächern.«
»In Ordnung«, sagte sie gnädig.
Harry war noch gut fünfunddreißig Meter von seinem Büro entfernt, als er die Tür sich öffnen hörte. Jemand kam heraus, schloss die Tür sorgfältig hinter sich, drehte sich um und ging raschen Schrittes durch den Tunnel auf Harry zu. Er zuckte zusammen, als er Harry sah.
»Hab ich dich erschreckt, Björn?«, fragte Harry leise.
Der Abstand zwischen ihnen betrug noch immer zwanzig Meter, aber die Wände trugen das Flüstern zu Björn Holm rüber.
»Ein bisschen«, sagte er und rückte die bunte Rastamütze zurecht, die seine rote Mähne bedeckte. »Du
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