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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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an der Wand, neben der Tür aufgebaut.
    Kaja zählte. Harry hatte ihr im Auto die Regeln des FBI erklärt: Man musste klingeln oder klopfen, »Polizei« und »Bitte öffnen Sie die Tür« rufen und dann bis zehn zählen, bevor man sich selbst Zutritt verschaffen durfte. Bei der norwegischen Polizei gab es keine derart konkreten Vorschriften, was aber nicht bedeutete, dass es keine Regeln gab.
    An diesem Vormittag im Holmenveien kam allerdings keine dieser Regeln zur Anwendung.
    Die Tür wurde aufgerissen, und Kaja trat automatisch einen Schritt nach hinten, als die Rastamütze in der Tür auftauchte, Harrys Schulter sich bewegte und sie das Klatschen einer Faust hörte, die auf Fleisch traf.
KAPITEL 42
    Beavis
    D ie Bewegung war ein Reflex, Harry konnte sie beim besten Willen nicht unterdrücken.
    Als Kriminaltechniker Björn Holms Mondgesicht in Tony Leikes Türrahmen auftauchte und Harry hinter ihm die anderen Techniker mitten bei der Hausdurchsuchung entdeckte und ihm im Bruchteil einer Sekunde klarwurde, was passiert war, sah er rot.
    Der Hieb pflanzte sich durch seinen Arm bis hoch in die Schulter fort, und seine Knöchel schmerzten. Vor ihm, am Boden des Hauseingangs, kniete Björn Holm. Blut quoll aus seiner Nase, rann über seine Lippen zum Kinn und tropfte von dort herunter.
    Die beiden Beamten des Einsatzkommandos sprangen mit einem Satz vor und richteten ihre Waffen auf Holm, sichtlich verunsichert. Vermutlich kannten sie seine Rastamütze und ahnten bereits, dass auch die anderen weißgekleideten Figuren Kriminaltechniker waren, die das Haus durchsuchten.
    »Geben Sie Bescheid, dass die Situation unter Kontrolle ist«, sagte Harry zu dem Mann mit der Drei auf der Brust. »Und dass der Verdächtige festgenommen wurde. Von Mikael Bellman.«
    Harry saß zusammengesunken auf dem Stuhl, die Beine ausgestreckt, die Füße unter Gunnar Hagens Schreibtisch.
    »Es ist ganz simpel, Chef. Bellman hat irgendwie spitzgekriegt, dass wir kurz vor der Festnahme von Tony Leike standen. Scheiße, die haben die Staatsanwaltschaft genau vor der Nase hocken, auf der anderen Straßenseite, im selben Gebäude wie die Kriminaltechnik. Er brauchte bloß kurz über die Straße laufen, um sich einen Haftbefehl von einem der Staatsanwälte zu besorgen, was wahrscheinlich nicht länger als zwei Minuten in Anspruch genommen hat, während ich hier zwei verfickte Stunden warten musste!«
    »Du brauchst nicht zu schreien«, bemerkte Hagen.
    »Du
brauchst das vielleicht nicht, aber
ich
!«, rief Harry und schlug auf die Armlehne. »Scheiße! Scheiße!«
    »Sei froh, dass Holm von einer Anzeige absieht. Wieso hast du
ihn
eigentlich geschlagen? Ist er das Leck?«
    »Gibt's sonst noch was, Chef?«
    Hagen sah seinen Hauptkommissar an. Dann schüttelte er den Kopf. »Nimm dir ein paar Tage frei, Harry.«
    Truls Berntsen hatte in seiner Jugend viele Spitznamen gehabt. Die meisten waren mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Aber nach der weiterführenden Schule, Anfang der Neunziger, hatte sich ein Name festgesetzt und bis heute gehalten: Beavis. Wie dieser Idiot aus der Zeichentrickserie auf MTV. Blond, Unterbiss und ein schnorchelndes Lachen. Okay, vielleicht klang sein Lachen tatsächlich so. Seit der Vorschule. Besonders, wenn ein anderer Prügel bezog. Oder er selbst. Er hatte in einer Zeitschrift gelesen, dass der Typ, der sich Beavis und Butt-Head ausgedacht hatte, Judge hieß, den Vornamen hatte er vergessen. Jedenfalls hatte dieser Judge gesagt, dass er sich Beavis' Vater als Säufer vorstellt, der seinen Sohn verprügelt. Truls Berntsen erinnerte sich noch gut daran, dass er die Zeitschrift auf den Boden geschleudert und den Laden mit dem für ihn typischen Lachen verlassen hatte.
    Beavis hatte zwei Onkel, die beide bei der Polizei waren. Nur dank ihrer Empfehlungen hatte er die Aufnahmeprüfung an der Polizeihochschule noch geschafft – um Haaresbreite. Und später mit Müh und Not das Examen, allerdings auch nicht ohne die helfende Hand seines Tischnachbarn. Wäre ja auch noch schöner gewesen, immerhin waren sie von klein auf befreundet. Befreundet, na ja … Wenn er ehrlich war, war Mikael Bellman sein Chef, seit Truls zwölf Jahre alt war und sie sich erstmals auf dem riesigen Baugrundstück in Manglerud getroffen hatten, das gesprengt werden sollte. Bellman hatte ihn bei dem Versuch erwischt, eine tote Ratte abzufackeln, und ihm gezeigt, wie viel lustiger es war, ihr eine Dynamitstange ins Maul zu schieben. Truls durfte sogar

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