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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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seit … seit …
    Sie hatten das Rollo nicht nach unten gezogen, und um halb sechs begannen die Lichtkegel der Autos draußen auf der Straße über die Zimmerdecke zu huschen. Oslo erwachte und schleppte sich zur Arbeit. Er sah sie noch einmal an, und dann schlief auch er.
KAPITEL 53
    Heelhook
    A ls Harry wach wurde, war es neun Uhr, das Zimmer badete im Tageslicht, und der Platz neben ihm war leer. Er hatte vier Nachrichten auf der Mailbox.
    Die erste war von Kaja, die ihm mitteilte, sie säße im Auto auf dem Weg nach Hause, um sich vor der Arbeit noch umzuziehen, und ihm für etwas dankte, das in ihrem hellen Lachen unterging, so dass er es nicht verstand.
    Die andere war von Gunnar Hagen, der wissen wollte, warum Harry auf keinen seiner Anrufe reagiert hatte. Er beschwerte sich, die Presse wegen dieser unnötigen Festnahme von Tony Leike am Hals zu haben.
    Die dritte war von Günther, der noch einmal den Witz mit Harry Klein brachte und ihn dann darüber informierte, dass die Leipziger Polizei Juliana Vernis Pass noch nicht gefunden habe und somit das mit dem Stempel aus Kigali nicht bestätigen könne.
    Die vierte war von Mikael Bellman, der ihn ohne Umschweife aufforderte, um zwei ins Kriminalamt zu kommen, Solness habe ihn ja sicher bereits instruiert.
    Harry stand auf. Er fühlte sich gut. Mehr als gut. Vielleicht sogar phantastisch. Er horchte in sich hinein. Naja, phantastisch war vielleicht etwas übertrieben.
    Harry ging nach unten, holte sich ein Päckchen Knäckebrot und erledigte das wichtigste Telefonat zuerst.
    »Sie sprechen mit Sos Hole«, ihre Stimme klang so ernst und feierlich, dass er lächeln musste.
    »Und du sprichst mit Harry Hole«, sagte er.
    »Harry!« Sie schrie seinen Namen gleich zweimal in den Hörer.
    »Hallo, Sos.«
    »Papa hat schon gesagt, dass du zu Hause bist! Warum hast du nicht früher angerufen?«
    »Ich war nicht richtig bereit, Sos. Aber jetzt bin ich voll da. Und du?«
    »Ich bin immer voll da, Harry, das weißt du doch.«
    »Ja, ich weiß. Mittagessen in der Stadt, bevor wir Papa besuchen? Ich lade dich ein.«
    »Ja! Du hörst dich so glücklich an, Harry. Ist es wegen Rakel, hast du mit ihr gesprochen? Ich habe gestern mit ihr geredet. Was war das für ein Geräusch, Harry?«
    »Nur das Knäckebrot, das aus der Packung gerutscht und auf den Boden gefallen ist. Was wollte sie?«
    »Nach Papa fragen. Sie hat mitbekommen, dass er krank ist.«
    »Sonst nichts?«
    »Nein, doch, sie hat gesagt, dass es Oleg gutgeht.« Harry schluckte. »Gut, lass uns nachher reden.«
    »Aber vergiss es nicht. Ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist, Harry! Ich hab so viel zu erzählen!«
    Harry legte das Telefon auf den Küchentisch und bückte sich, um die Knäckebrotscheiben aufzuheben, als das Telefon klingelte. Sos kamen oft noch Sachen in den Sinn, wenn sie gerade aufgelegt hatte. Er richtete sich auf.
    »Was noch?«
    Ein tiefes Räuspern. Dann eine Stimme, die sich als Abel vorstellte. Der Name erschien ihm vertraut, und Harry durchforstete automatisch sein Gedächtnis, in dem die Akten alter Fälle sorgsam geordnet waren und Informationen enthielten, die nie gelöscht wurden: Namen, Gesichter, Hausnummern, Daten, der Klang einer Stimme oder die Farbe und das Baujahr eines Autos. Dafür konnte er von einem Tag auf den anderen den Namen des Nachbarn vergessen, mit dem er seit drei Jahren Tür an Tür wohnte, oder Olegs Geburtstag. Man nannte das Ermittlergedächtnis.
    Harry hörte zu, ohne den Mann zu unterbrechen.
    »Verstehe«, sagte er schließlich. »Danke, dass Sie angerufen haben.«
    Er legte auf und wählte eine andere Nummer.
    »Kriminalamt«, antwortete eine müde Stimme aus der Telefonzentrale. »Sie haben versucht, Mikael Bellman anzurufen?«
    »Ja, hier ist Hole vom Morddezernat. Wo ist Bellman?« Die Stimme teilte ihm mit, wo Bellman war. »Logisch«, sagte Harry. »Wie bitte?« Ein unterdrücktes Gähnen. »Das macht er doch immer, nicht wahr?«
    Harry ließ das Telefon in seine Tasche gleiten und starrte aus dem Küchenfenster. Die Krümel des Knäckebrotes knirschten unter seinen Füßen, als er ging.
    »Skoyen Kletterzentrum« stand auf der Glastür, die zum Parkplatz führte. Harry schob sie auf und ging hinein. Auf der Treppe nach unten musste er einer Schulklasse Platz machen, die gutgelaunt zum Ausgang strömte. An einem Schuhständer am Fuß der Treppe zog er seine Boots aus. In der großen Kletterhalle hingen ein halbes Dutzend Männer in den zehn Meter

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