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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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dasitzt, weil er sich alles so schön ausgedacht hat.«
    »Hm«, sagte Harry. »Dann hat ihm wohl die Raubkatze den Mittelfinger abgebissen. Fornebu, morgen, um neun Uhr.«
    Jens Rath blieb stehen und sah dem Polizisten nach. Er fragte sich, wieso er nicht bloß schwitzte, sondern schier zerfloss.
    Als Harry ins Reichshospital zurückkehrte, saß Sos noch immer da. Sie blätterte in einer Zeitschrift und aß einen Apfel. Er sah sich den Schwarm der Geier an. Es waren weitere Blumen hinzugekommen.
    »Du siehst erschöpft aus, Harry«, sagte sie. »Du solltest nach Hause gehen.«
    Harry lachte leise. »Nein, geh du. Du hast lange genug allein hier gesessen.«
    »Ich war nicht allein.« Sie lächelte ihn verschmitzt an. »Rate mal, wer hier war.«
    Harry seufzte. »Nimm's mir nicht übel, Sos, aber ich rate in den letzten Tagen zu viel herum.«
    »0ystein!«
    »0ystein Eikeland?«
    »Ja! Er hatte eine Tafel Milchschokolade dabei. Nicht für Papa, sondern für mich. Tut mir leid, aber die ist schon alle.« Sie lachte so herzlich, dass sie die Augen zukneifen musste.
    Als sie aufstand, um eine Runde zu drehen, nahm Harry das Handy heraus. Kaja hatte zweimal versucht, ihn zu erreichen. Er schob den Stuhl an die Wand und lehnte den Kopf zurück.
KAPITEL 77
    Abdruck
    Z ehn Minuten nach zehn Uhr morgens landete der Helikopter auf einem Höhenzug westlich des Hallingskarvet-Massivs. Um elf Uhr war die Hütte gefunden.
    Sie passte sich so gut dem Gelände an, dass die Männer sie ohne Jens Raths Hilfe nicht gefunden hätten. Der steinerne Bau klebte hoch oben an der windgeschützten Ostseite des Gebirges, oberhalb der Lawinenzone. Die Steine, die für das Mauerwerk verwendet worden waren, stammten aus der Umgebung und waren mit gewaltigen Felsbrocken vermauert worden, die die Rück- und Seitenwände der Hütte bildeten. Es gab keine rechten Winkel, die Fenster glichen Schießscharten und lagen so tief in der Steinwand, dass die Sonne nicht von ihnen reflektiert wurde.
    »Das nenn ich mal eine ordentliche Hütte«, sagte Björn Holm, schnallte die Skier ab und versank sofort bis zu den Knien im Schnee.
    Harry erklärte Jens, dass sie seine Dienste nicht mehr benötigten, und bat ihn, gemeinsam mit dem Piloten am Helikopter zu warten.
    Vor der Tür lag der Schnee nicht ganz so hoch.
    »Hier hat vor kurzem noch einer Schnee geschaufelt«, sagte Harry.
    Die Tür war mit einem einfachen Vorhängeschloss gesichert, das Björns Brecheisen nur wenig Widerstand leistete.
    Bevor sie sie öffneten, zogen sie ihre Fäustlinge aus, streiften Latexhandschuhe über und wickelten blaue Plastiktüten um ihre Skistiefel.
    Die ganze Hütte bestand aus einem einfachen, etwa fünf mal drei Meter großen Raum und erinnerte am ehesten an eine alte Kapitänskajüte mit bullaugenartigen Fenstern und kompakten, platzsparenden Einrichtungslösungen. Boden, Wände und Decke waren mit grobem, unbehandeltem Holz verkleidet, das weiß gestrichen worden war, um das wenige Licht zu nutzen, das in die Hütte fiel. An der rechten Hüttenseite war eine schmale Arbeitsplatte mit einem Spülbecken und einem Unterschrank befestigt worden. Der Diwan daneben diente allem Anschein nach auch als Bett. In der Mitte des Raumes stand ein Esstisch mit nur einem mit Farbflecken übersäten Holzstuhl. Vor einem Fenster befand sich ein abgenutzter hölzerner Schreibtisch, in dessen Tischplatte Initialen und Sprüche geritzt worden waren. Linker Hand erkannte man den blanken Fels, davor stand ein Ofen. Um die Wärme besser zu nutzen, führte das Ofenrohr erst am Stein entlang, bevor es nach oben durch das Dach abknickte. Der Holzkasten war gut gefüllt mit Birkenholz und Zeitungen zum Anfeuern. An den Wänden hing neben den Karten der Umgebung auch eine Afrikakarte.
    Björn blickte aus dem Fenster über dem Schreibtisch.
    »Und das nenne ich eine ordentliche Aussicht. Mann, von hier aus kann man halb Norwegen sehen.«
    »Lass uns anfangen«, sagte Harry. »Der Pilot hat uns zwei Stunden gegeben, von der Küste aus soll sich eine Schlechtwetterfront nähern.«
    Mikael Bellman war wie gewohnt um sechs Uhr aufgestanden und hatte sich in der Tretmühle im Keller wach gejoggt. Er hatte schon wieder von Kaja geträumt. Sie hatte auf dem Sozius eines Motorrads gesessen und die Arme um einen Mann gelegt, der nur aus Helm und Visier bestand. Sie hatte glücklich gelächelt, ihre spitzen Zähne gezeigt und ihm beim Vorbeifahren zugewinkt. Aber war die Maschine nicht gestohlen? War das

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