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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ihn sich nicht mehr leisten konnte. Oder wie so oft in Kriminalfällen: Es ist einfach so passiert.«
    Am Tisch herrschte Einigkeit, selbst der Pelikan schien sich mit der Antwort zufriedenzugeben.
    »Noch Fragen? Nein? Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen, Harry Hole zu danken, dass er uns bis hierher unterstützt hat. Da wir nicht länger auf sein Spezialwissen angewiesen sind, wird er mit unmittelbarer Wirkung ins Morddezernat zurückversetzt. Es war interessant, Einblick zu bekommen, wie dort in Mordfällen ermittelt wird. Dieses Mal haben Sie den Fall nicht gelöst, aber wer weiß? Wenn schon kein Mord, dann wartet vielleicht ja ein interessantes Gewaltverbrechen darauf, von Ihnen gelöst zu werden. Also, vielen Dank noch mal. Ich muss zu einer Pressekonferenz, Leute.« Harry sah Bellman an. Er konnte nicht umhin, ihn zu bewundern. Wie man eine Kakerlake bewundert, die man im Klo runterspült und die immer und immer wieder nach oben kriecht. Um am Ende alle anderen zu überleben.
    An dem Krankenbett im Reichshospital vergingen die Minuten, Viertelstunden und Stunden in langsamer, wogender Monotonie. Pfleger und Schwestern kamen und gingen. Sos kam und ging. Die Blumen rückten unmerklich näher.
    Harry hatte oft erlebt, dass Angehörige die Wartezeit nicht ertrugen, wenn der letzte Atemzug eines geliebten Menschen kurz bevorstand, dass sie am Ende den für sie erlösenden Tod mit aller Macht herbeisehnten. Für Harry war es genau umgekehrt. Er hatte sich seinem Vater noch nie so nah gefühlt wie hier in dem stillen Raum, in dem sich alles nur um den nächsten Atemzug und den nächsten Herzschlag drehte. Olav Hole so zu sehen war, wie es selbst zu erleben, die friedliche Existenz zwischen dem Leben und dem Nichts.
    Die Ermittler vom Kriminalamt hatten viel aufgedeckt und erkannt, nicht aber die offensichtlichste aller Verbindungen. Das entscheidende Detail, das Klarheit in das Ganze brachte. Den Link zwischen dem Leike-Hof und Ustaoset. Zwischen den Gerüchten über den Geist des vermissten Jungen vom Utmo-Hof und dem Mann, der die Berge dort als seine Landschaft bezeichnete. Zwischen Tony Leike und dem Jungen auf dem Foto, zwischen seinem hässlichen Vater und seiner schönen Mutter.
    Als Harry auf das Display schaute, registrierte er die entgangenen Anrufe. Hagen. 0ystein. Kaja. Noch einmal Kaja. Er rief sie an. »Kann ich heute Nacht zu dir kommen?«, fragte sie.
KAPITEL 80
    Der Rhythmus
    D er Regen trommelte auf die Planken des schwimmenden Anlegestegs. Harry ging zu der Gestalt, die ihm den Rücken zukehrte. »Morgen, Skai.«
    »Morgen, Hole«, sagte der Polizist, ohne sich umzudrehen. Die Spitze seiner Angel wurde von der Schnur nach unten gezogen, die im Schilf am gegenüberliegenden Ufer verschwand.
    »Hat was angebissen?«
    »Nein«, sagte Skai. »Der Haken hat sich in dem verdammten Schilf verfangen.«
    »Tut mir leid. Heute schon Zeitung gelesen?«
    »Die werden hier draußen erst im Laufe des Vormittags geliefert.«
    Harry wusste, dass das nicht stimmte, nickte aber trotzdem.
    »Aber vermutlich stellen sie mich als Dorftrottel dar«, sagte Skai, »… und betonen, dass es die Profis vom Kriminalamt braucht, um wieder Ordnung in die Herde zu bringen.«
    »Wie gesagt: tut mir leid.«
    Skai zuckte mit den Schultern. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie haben mit offenen Karten gespielt. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und mal ehrlich, ein bisschen Spaß hat es mir schon gemacht. Hier draußen passiert nicht so viel, wissen Sie.«
    »Hm. Sie schreiben gar nicht so viel über Sie, eher stürzen sich alle darauf, dass Tony Leike sich nun doch als der Mörder entpuppt hat. Bellman wird mehrfach zitiert.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Bald werden sie darauf stoßen, wer Tonys Vater ist.« Skai drehte sich um und sah Harry an.
    »Ich hätte eher darauf kommen müssen, besonders, nachdem wir über die Namensänderungen gesprochen hatten.«
    »Jetzt kann ich Ihnen nicht ganz folgen, Hole.«
    »Sie haben es selber zu mir gesagt, Skai. Dass Tony bei seinem Großvater auf dem Leike-Hof gelebt hat. Leike. Der Vater seiner Mutter. Tony hatte den Nachnamen seiner Mutter angenommen.«
    »Das ist nicht weiter ungewöhnlich.«
    »Möglicherweise nicht. Aber in diesem Fall gab es einen speziellen Grund dafür. Tony hat sich damals bei seinem Großvater versteckt. Seine Mutter hatte ihn dorthin geschickt.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Eine Kollegin hat mich drauf gebracht«, sagte Harry und hatte

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