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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Welt?«
    »Ja.«
    »Verstehe.«
    Skai hielt inne und sah Harry an. »Nein«, sagte er mit Nachdruck. »Nein?«
    »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    »Und was denke ich?«
    »Dass Mia und Tony sich später wiederbegegnet sind. Er hat mit ihr Schluss gemacht, und danach haben sie sich nie wiedergesehen. Ihr Leben ist ohne ihn weitergegangen. Sie hat nichts mit dieser Sache zu tun, kapiert? Ich gebe Ihnen mein Wort darauf. Endlich ist sie so weit, dass sie ihr Leben wieder einigermaßen im Griff hat, also bitte kommen Sie nicht und …«
    Harry nickte und nahm die Zigarette, die im Nieselregen ausgegangen war, aus dem Mund.
    »Ich bin nicht mehr mit dem Fall betraut«, sagte er. »Aber Ihr Wort hätte mir ohnehin völlig genügt.«
    Als Harry von dem Parkplatz fuhr, sah er Skai im Rückspiegel die Angelsachen zusammenräumen.
    Reichshospital. Er hatte seinen Rhythmus gefunden. Die Zeit wurde nicht von allen möglichen Ereignissen zerhackt, sondern floss in einem gleichmäßigen Strom dahin. Er wollte nach einer Matratze fragen. Es würde ein bisschen sein wie im Chungking Mansion.
KAPITEL 81
    Lichtkegel
    D rei Tage vergingen. Er lebte. Alle lebten.
    Niemand wusste, wo Tony Leike war, und die Spuren des falschen Odd Utmo endeten in Kopenhagen. Ein Bild von Lene Galtung prangte auf der Titelseite einer Zeitung. Im besten Greta-Garbo-Stil mit großer Sonnenbrille und einem Tuch um den Kopf. Die Überschrift lautete: »Kein Kommentar«. Und nachdem sie zwei Tage zuvor untergetaucht war, angeblich im Haus ihres Vaters in London, war sie von niemandem mehr gesehen worden. Das Bild von Tony in Arbeitskleidung vor dem Helikopter brachten gleich mehrere Zeitungen. Erst kürzlich hatte eine mit der Überschrift getitelt: »Das Verschwinden des Kavaliers«. Altmans Name war auf Leike übergegangen, vermutlich, weil die Leute sich diesen Namen gemerkt hatten und er ohnehin besser auf Leike denn auf Altman passte. Seltsamerweise war es bislang noch keinem einzigen Pressevertreter gelungen, den Utmo-Hof mit Tony Leike in Verbindung zu bringen. Wie seine Mutter hatte anscheinend auch Tony alles darangesetzt, diese Verbindung geheim zu halten.
    Mikael Bellman musste täglich Pressekonferenzen über sich ergehen lassen, und in einer Talkshow im Fernsehen zeigte er sowohl seine pädagogischen Fähigkeiten als auch sein gewinnendes Lächeln, als er erklärte, wie der Fall gelöst worden war. Natürlich in seiner Version der Geschichte. Er stellte es als eine Lappalie hin, dass der Mörder noch nicht gefasst war. Das Wesentliche sei doch, dass Tony »der Kavalier« Leike entlarvt und damit neutralisiert, sozusagen außer Gefecht gesetzt war.
    Es wurde jeden Abend ein paar Minuten später dunkel. Alle warteten auf den Frühling oder einen neuerlichen Kälteeinbruch, aber beides blieb aus.
    Die Lichtkegel huschten über die Zimmerdecke.
    Harry lag auf der Seite und blickte dem Zigarettenrauch nach, der sich in komplizierten und nie vorhersagbaren Mustern ins Dunkel schraubte.
    »Du bist so still«, sagte Kaja und schmiegte sich an seinen Rücken.
    »Ich bleibe noch bis nach der Beerdigung«, sagte er. »Dann fahre ich.«
    Er nahm einen Zug von der Zigarette. Sie antwortete nicht. Dann spürte er zu seiner Verwunderung etwas Nasses, Warmes auf seinem Schulterblatt. Er legte die Zigarette in den Aschenbecher und wandte sich zu ihr um. »Weinst du?«
    »Nur ein bisschen«, sagte sie und lachte schniefend. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«
    »Willst du eine Zigarette?«
    Sie schüttelte den Kopf und wischte die Tränen ab. »Mikael hat heute angerufen. Er wollte mich treffen.«
    »Hm.«
    Sie legte den Kopf auf seine Brust. »Willst du nicht wissen, was ich geantwortet habe?«
    »Nur, wenn du es erzählen willst.«
    »Ich habe nein gesagt, woraufhin er meinte, dass ich das noch bereuen werde. Du würdest mich nach unten ziehen, das hättest du schon einmal mit jemandem gemacht.«
    »Tja, da hat er wohl recht.«
    Sie hob den Kopf. »Aber das ist bedeutungslos, verstehst du das denn nicht? Ich will bei dir sein, egal wohin du gehst!« Wieder rollten Tränen über ihre Wangen. »Und wenn es abwärts-geht, gehe ich mit dir. Auch dorthin.«
    »Aber da ist nur Leere«, sagte Harry. »Da bin nicht einmal mehr ich, ich bin dann … weg. Du hast mich in Chungking gesehen. Das ist wie unmittelbar nach der Lawine. In derselben Hütte, aber allein und verlassen.«
    »Vergiss nicht, dass du mich gefunden und da rausgeholt hast. Ich könnte das

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