Leopard
ihnen einen Anhaltspunkt, täuschten sie sich selten.
Harry trat an den Archivschrank, den sie zurückgeschoben hatten, öffnete die Mappen der entsprechenden Opfer und nahm die Bilder heraus. Er reichte Leike die fünf Bilder, der sie durchblätterte.
»Das ist Marit Olsen«, sagte er und gab Harry das Bild zurück. »Und das sind, glaube ich, die beiden Mädchen, die am Kamin gesessen haben, aber ganz sicher bin ich mir nicht.« Er gab Harry die Bilder von Borgny und Charlotte. »Das könnte der Mann sein.« Elias Skog. »Aber die im Schlafzimmer sind nicht auf diesen Bildern, da bin ich mir ganz sicher.«
»Sie sind sich nicht sicher bei den Leuten, die mit Ihnen im selben Raum gesessen haben, wohl aber bei denen, die Sie nur ein paar Sekunden lang gesehen haben?«
Leike nickt. »Die haben ja geschlafen.«
»Sind Schlafende leichter zu erkennen?«
»Nein, aber die erwidern Ihren Blick nicht, die kann man ungestört betrachten.«
»Hm. Ein paar Sekunden?«
»Vielleicht auch länger.«
Harry legte die Bilder zurück in die Mappe.
»Haben Sie irgendwelche Namen?«, fragte Leike.
»Namen?«
»Ja. Ich bin ja, wie gesagt, als Erster aufgestanden und habe in der Küche ein paar Scheiben Brot gegessen. Da lag das Gästebuch, in das ich mich noch nicht eingetragen hatte. Ich habe es aufgeschlagen und beim Essen die Namen derjenigen studiert, die sich am Abend zuvor eingetragen hatten.«
»Warum?«
»Warum schon?« Tony zuckte mit den Schultern. »Es sind oft die gleichen Leute, die von Hütte zu Hütte wandern. Ich wollte nachsehen, ob Bekannte darunter waren.«
»Und, war jemand dabei?«
»Nein, aber wenn Sie mir die Namen derjenigen nennen, von denen Sie wissen oder glauben, dass sie da waren, kann ich mich vielleicht an die Unterschriften im Gästebuch erinnern.«
»Klingt logisch, aber wir haben leider weder Namen noch Adressen.«
»Na dann«, sagte Leike und begann seinen Wollmantel zuzuknöpfen. »Dann, fürchte ich, kann ich Ihnen keine große Hilfe sein. Abgesehen davon, dass Sie mich auf Ihrer Liste abhaken können.«
»Hm«, sagte Harry. »Wo Sie schon einmal da sind, würde ich Ihnen gerne noch ein paar weitere Fragen stellen. Haben Sie noch einen Augenblick Zeit?«
»Ich bin mein eigener Herr«, sagte Leike. »Bis jetzt noch, auf jeden Fall.«
»Gut. Sie haben gesagt, in Ihrer Vergangenheit gäbe es ein paar dunkle Flecken. Können Sie mir kurz sagen, was Sie damit meinen?«
»Ich hab mal versucht, jemanden umzubringen«, sagte Leike freiheraus.
»Oh«, sagte Harry und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Warum das denn?«
»Weil er mich angegriffen hat. Er hat behauptet, ich hätte ihm die Frau weggeschnappt. In Wahrheit ist sie niemals seine Freundin gewesen und wollte das auch gar nicht sein. Außerdem schnappe ich niemandem die Freundin weg. Das habe ich nicht nötig.«
»Hm. Hat er Sie auf frischer Tat ertappt und dann die Frau geschlagen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich versuche mir nur vorzustellen, was vorgefallen sein muss, dass Sie ihn töten wollten. Vorausgesetzt, Sie meinen das wirklich so.«
»Er hat mich geschlagen. Und deshalb habe ich mein Bestes getan, ihn zu töten. Mit einem Messer. Ich hätte es auch geschafft, wenn mich nicht ein paar meiner Kumpels von ihm weggezerrt hätten. Ich wurde wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Für einen Mordversuch bin ich da noch ganz gut weggekommen.«
»Sind Sie sich im Klaren darüber, dass Sie sich mit einer solchen Aussage zum Mordverdächtigen machen?«
»In diesem Fall jetzt?« Leike sah Harry misstrauisch an. »Sie machen Witze? Sie sind doch wohl hoffentlich ein bisschen weiter, oder?«
»Wenn Sie einmal bereit waren zu töten …«
»Ich war mehrmals bereit zu töten. Vermutlich habe ich das auch …«
»Vermutlich?«
»Es ist nicht so leicht, nachts im Dschungel kohlrabenschwarze Neger zu erkennen. Da schießt man einfach drauflos.«
»Und das haben Sie getan?«
»In meiner sündigen Jugend, ja. Nachdem ich meine Strafe abgesessen hatte, habe ich eine Ausbildung beim Militär gemacht und bin dann nach Südafrika gegangen, wo ich einen Job als Söldner angenommen habe.«
»Sie waren als Söldner in Südafrika?«
»Drei Jahre lang. Aber in Südafrika wurde ich bloß angeworben. Die Kämpfe fanden in den umliegenden Ländern statt. Irgendwo gab es immer irgendeinen Krieg, immer einen Markt für Profis, insbesondere für Weiße. Die Schwarzen halten uns noch immer für klüger, verstehen Sie, sie
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