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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Gestern hatte er ihre Zweifel gespürt, und auch beim Sex war sie nicht wirklich bei der Sache gewesen. Er wusste aber auch, dass er Kontrolle über sie hatte, solange er auf dem Weg nach oben war. Nicht weil Kaja eine Goldgräberin war, die genau wusste, was er als oberster Chef für ihre Karriere bedeuten konnte. Ihre Beziehung war keine intellektuelle Wahl, sondern reine Biologie. Frauen konnten so modern sein, wie sie wollten, aber wenn sie sich einem Alphamännchen unterwarfen, waren sie zurück auf Affenniveau. Wenn ihr nun Zweifel kamen, dass er seine Frau für sie verlassen würde, war es vielleicht an der Zeit für eine kleine Aufmunterung. Schließlich brauchte er die Insiderinformationen aus dem Morddezernat noch eine Weile, bis er alle Fäden in der Hand hielt, die Schlacht vorüber und der Krieg gewonnen war.
    Er trat ans Fenster und knöpfte sich den Mantel zu. Das Haus, das sie von seinen Eltern übernommen hatten, lag in Manglerud, nicht gerade das beste Viertel der Stadt, wenn man die Leute im Westen fragte. Aber wer hier aufgewachsen war, hatte die Tendenz zu bleiben, weil dieser Stadtteil eine Seele besaß. Außerdem war es sein Stadtteil. Mit Aussicht über die ganze Stadt. Die bald ihm gehören sollte.
     
    »Sie kommen«, sagte der Beamte. Er stand in der Tür eines der neuen, videoüberwachten Verhörräume, die sie im Kriminalamt eingerichtet hatten.
    »Okay«, sagte Bellman.
    Manche Verhörsleiter zogen es vor, den Verdächtigen eine Weile allein im Raum warten zu lassen, um von Anfang an klarzustellen, wer das Sagen hatte. Um dann einen großen Auftritt hinzulegen, den Verdächtigen hart ranzunehmen und gleich in die Defensive zu drängen. Bellman zog es vor, bereits im Raum zu sitzen und zu warten, wenn der Verdächtige hereingeführt wurde. Um das Revier zu markieren und ihnen zu zeigen, wer der Platzhirsch war. Er konnte den Verdächtigen trotzdem hinhalten, indem er las oder in seinen Akten blätterte, bis die Nervosität seines Gegenübers spürbar stieg, um dann, wenn die Zeit reif war, den Blick zu heben und seine Geschosse abzufeuern. Aber das waren die feinen Details der Befragungstechnik. Und natürlich war er bereit, mit anderen kompetenten Ermittlern darüber zu diskutieren. Noch einmal kontrollierte er, dass die rote Aufnahmelampe leuchtete. Sich erst mit der Technik abzumühen, wenn der Verdächtige einem gegenübersaß, konnte die ganze eingeübte Statusdemonstration zerstören.
    Durch das Fenster sah er Beavis und Kolkka das Nachbarbüro betreten. Zwischen ihnen ging Tony Leike, den sie aus der Arrestzelle im Polizeipräsidium geholt hatten.
    Bellman holte tief Luft. Doch, auch er hatte in diesem Augenblick einen leicht erhöhten Puls und spürte Angriffslust und Nervosität in sich aufkeimen. Tony Leike hatte das Angebot, einen Anwalt hinzuzuziehen, abgelehnt. Im Prinzip war das natürlich ein Vorteil für sie, da es ihnen einen größeren Spielraum gab. Gleichzeitig war es aber auch ein Zeichen dafür, dass Leike sich seiner Sache ziemlich sicher war. Dieser Naivling. Er wusste ja nicht, dass Bellman beweisen konnte, dass Leike Elias Skog unmittelbar vor dessen Ermordung angerufen hatte. Eine Person, von der Leike behauptete, nicht einmal ihren Namen zu kennen.
    Bellman blickte in seine Papiere, hörte Leike den Raum betreten und Beavis, wie vorher vereinbart, die Tür hinter ihm schließen.
    »Setzen Sie sich«, sagte Bellman, ohne aufzublicken.
    Er hörte, dass Leike tat, wie ihm geheißen wurde.
    Bellman hielt bei einem zufälligen Aktenblatt inne und fuhr sich mit dem Zeigefinger mehrmals über die Unterlippe, während er innerlich zu zählen begann. Die Stille vibrierte in dem kleinen, geschlossenen Raum. Eins, zwei, drei. Er hatte gemeinsam mit seinen Kollegen an einem Seminar über neue Verhörmethoden teilnehmen müssen, das sogenannte investigative interviewing, bei denen es irgendwelchen weltfremden Akademikern zufolge auf Offenheit, Dialog und Vertrauen ankam. Vier, fünf, sechs. Bellman hatte stillschweigend zugehört, schließlich war das Modell von oberster Stelle abgesegnet worden, sich dabei aber gefragt, wie sich diese Leute eigentlich die Kriminellen vorstellten, mit denen er und seine Kollegen es im Kriminalamt zu tun hatten. Zartbesaitete, kooperative Seelen, die einem alles erzählten, wenn man ihnen nur eine Schulter zum Ausweinen bot? Sie behaupteten, die bisherigen Methoden der Polizei, das traditionelle, neunstufige FBI -Modell, sei

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