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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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uns jemals vordrangen. Bei der Vorbereitung der Vernehmung hatte sich Bell-man deshalb entschlossen, den Punkt Sympathie nur kurz zu streifen, um dann gleich zum nächsten Punkt zu kommen, der Motivation: Er musste dem Verdächtigen einen Grund geben, ein Geständnis abzulegen.
    »Eins müssen Sie wissen, Leike, ich bin nicht Ihr Gegner. Ich möchte nur verstehen, warum Sie getan haben, was Sie getan haben. Was Sie antreibt. Sie sind ganz offensichtlich eine ehrgeizige, intelligente Person. Sehen Sie doch nur, was Sie beruflich erreicht haben. So etwas fasziniert mich, mich beeindrucken Menschen, die sich ein Ziel setzen und es verfolgen, egal was die anderen davon halten. Menschen, die sich von dem Mittelmaß abheben. Ich wage sogar zu sagen, dass ich mich in Ihrem Streben wiedererkenne. Es kann gut sein, dass ich Sie besser verstehe, als Sie glauben, Tony.«
    Bellman hatte einen Ermittler bei einem von Leikes Börsenfreunden anrufen lassen, um sich zu erkundigen, wie dieser seinen Namen ausgesprochen haben wollte. Touny, Tony oder Tonny. Die Antwort war Tony. Bellman kombinierte die richtige Aussprache mit dem Versuch, Leikes Blick einzufangen und festzuhalten.
    »Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, das ich Ihnen eigentlich gar nicht erzählen dürfte, Tony. Nämlich, dass wir aufgrund gewisser interner Umstände extrem wenig Zeit für diesen Fall haben, weshalb wir gerne ein Geständnis hätten. Normalerweise würde ich einem Verdächtigen, gegen den wir so eindeu tige Beweise in der Hand haben, keinen Deal anbieten, aber das würde den Verlauf deutlich beschleunigen. Als Gegenleistung für ein Geständnis – das wir theoretisch nicht einmal brauchen, um Sie zu verurteilen – kann ich Ihnen eine beträchtliche Strafminderung in Aussicht stellen. Mir sind per Gesetz die Hände gebunden, so dass ich Ihnen keinen konkreten Strafnachlass nennen kann, aber lassen Sie mich Ihnen im Vertrauen sagen, dass er be-trächt-lich sein wird. Okay, Tony? Das ist ein Versprechen, das wir sogar auf Band aufgenommen haben.«
    Er deutete auf die rote Lampe auf dem Tisch zwischen ihnen.
    Leike sah Bellman lange und nachdenklich an. Dann öffnete er den Mund. »Die beiden, die mich geholt haben, sagten, Ihr Name sei Bellman.«
    »Nennen Sie mich Mikael, Tony.«
    »Sie sagten mir auch, Sie seien ein sehr intelligenter Mann. Hart, aber vertrauenswürdig.«
    »Ich denke, Sie werden mitbekommen, dass das stimmt.«
    »Sie sagten beträchtlich, nicht wahr?«
    »Das waren meine Worte, ja.« Bellman spürte, wie sein Puls sich beschleunigte.
    »Gut«, sagte Leike.
    »Wunderbar«, entgegnete Bellman leicht und berührte seine Unterlippe erneut sanft mit dem Zeigefinger. »Fangen wir mit dem Anfang an?«
    »Gerne«, antwortete Leike und nahm ein Blatt Papier aus der Gesäßtasche seiner Hose, das Truls und Jussi ihm offenbar nicht abgenommen hatten. »Ich habe die Daten und genauen Uhrzeiten der jeweiligen Morde von Harry Hole bekommen, so dass wir das schnell erledigen können. Demnach starb Borgny Stem-Myhre am 16. Dezember irgendwann zwischen 22 und 23 Uhr hier in Oslo.«
    »Das ist richtig«, sagte Bellman und spürte, wie sein Herz bereits zu jubeln begann.
    »Ich habe das in meinem Terminkalender überprüft. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich im Peer-Gynt-Saal im Ibsenhaus in Skien, wo ich über mein Koltan-Projekt gesprochen habe. Der Veranstalter und gut hundertzwanzig potentielle Investoren, die zu diesem Anlass gekommen sind, können das sicher bestä tigen. Ich gehe davon aus, Sie wissen, dass man für den Weg von Skien nach Oslo etwa zwei Stunden braucht? Die nächste war Charlotte Lolles. Sie starb … Moment … hier steht: zwischen 22 Uhr und Mitternacht am 3. Januar. Da war ich bei einem Essen mit einigen weniger wichtigen Investoren in Hamar. Zwei Stunden mit dem Auto von Oslo. Ich habe übrigens den Zug genommen, kann das Ticket aber leider nicht mehr finden, obgleich ich es gesucht habe, sorry.«
    Er lächelte Bellman bedauernd an, der das Atmen eingestellt hatte. Leikes glänzende Zahnkacheln blitzten zwischen seinen Lippen auf, als er zum Schluss kam.
    »Ich hoffe nur, dass wenigstens einer der zwölf Zeugen, die mit am Tisch saßen, als vertrauenswürdig eingestuft werden kann.«
     
    »Danach hat er gesagt, dass man ihn möglicherweise des Mordes an Marit Olsen verdächtigen könne, da er nicht die ganze Zeit mit seiner Verlobten zu Hause gewesen sei, sondern am Abend zwei Stunden zum Langlaufen zur beleuchteten Loipe

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