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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ins Sørkedal gefahren sei.«
    Mikael Bellman schüttelte den Kopf und steckte die Hände noch tiefer in seine Manteltaschen, als er das Bild Krankes Mädchen betrachtete.
    »Zur selben Zeit, als Marit Olsen getötet wurde?«, fragte Kaja, legte den Kopf etwas zur Seite und betrachtete den Mund des blassen und vermutlich im Sterben liegenden Mädchens. Für gewöhnlich konzentrierte sie sich auf ein spezielles Detail, wenn sie sich hier im Munch-Museum trafen. Einmal waren es die Augen, ein anderes Mal die Landschaft im Hintergrund, die Sonne oder einfach nur Edvard Munchs Signatur.
    »Er behauptet, weder er noch das Galtung-Mädchen …«
    »Lene«, sagte Kaja.
    »… könnten sich an die genaue Zeit erinnern, es dürfte aber recht spät gewesen sein, da er die Loipe gern für sich allein hat.«
    »Dann könnte Tony Leike also zur entsprechenden Zeit im Frognerpark gewesen sein. Wenn er im Sørkedal war, hat er zweimal die Mautstellen passiert, und wenn er dieses elektronische Abosystem an der Windschutzscheibe hat, wird automatisch der Zeitpunkt registriert. Und dann können wir …«
    Sie hatte sich umgedreht und hielt abrupt inne, als sie seinen kalten Blick sah.
    »… aber das habt ihr natürlich längst überprüft«, sagte sie.
    »Das war gar nicht nötig«, sagte Mikael. »Er hat kein Abo, sondern bezahlt jedes Mal in bar. Und da werden die Autos nicht registriert.«
    Sie nickte. Sie schlenderten zum nächsten Bild und stellten sich hinter zwei Japaner, die schnatternd gestikulierten und auf bestimmte Bilddetails deuteten. Der Vorteil dieser Treffen im Munch-Museum war, dass man alltags garantiert keine Kollegen, Nachbarn oder Bekannte traf. Außerdem lag der Touristenmagnet ziemlich genau zwischen dem Kriminalamt in Bryn und dem Polizeipräsidium in Grønland.
    »Was hat Leike zu Elias Skog und Stavanger gesagt?«, fragte Kaja.
    Mikael schüttelte wieder den Kopf. »Er meinte, man könne ihn sicher auch dafür anklagen, da er in dieser Nacht allein zu Hause war und folglich kein Alibi hat. Ich habe ihn daraufhin gefragt, wann er am nächsten Tag bei der Arbeit aufgetaucht sei. Er war sich nicht sicher, glaubte aber – wie gewöhnlich – gegen sieben dort gewesen zu sein, was ich jederzeit mit der Rezeption der Bürogemeinschaft abklären könnte, sollte ich es für wichtig halten. Ich habe das natürlich getan und erfahren, dass Leike für
    9.15 Uhr ein Sitzungszimmer reserviert hatte. Ein paar seiner Investor-Kollegen im Büro haben bestätigt, mit Leike an dieser Sitzung teilgenommen zu haben. Wenn er Elias Skogs Wohnung nachts um drei verlassen hat, muss er ein Flugzeug genommen haben, um das zu schaffen. Sein Name ist aber auf keiner Passagierliste registriert.«
    »Das hat nicht viel zu sagen, er kann mit einem gefälschten Pass unter falschem Namen gereist sein. Außerdem haben wir noch immer diesen Anruf bei Skog. Wie hat er den erklärt?«
    »Er hat es nicht einmal versucht, sondern alles blank geleugnet«, schnaubte Bellman. »Was gefällt den Leuten ei gentlich so gut am Tanz des Lebens ? Die haben ja nicht mal richtige Gesichter. Wenn du mich fragst, sehen sie aus wie Zombies.«
    Kaja studierte die Tanzenden auf dem Bild. »Vielleicht sind sie das«, sagte sie.
    »Zombies?«, Bellman lachte kurz. »Ist das dein Ernst?«
    »Menschen, die herumlaufen, tanzen, sich innerlich aber tot fühlen, begraben, in voller Verwesung.«
    »Interessante Theorie, Solness.«
    Sie hasste es, wenn er sie beim Nachnamen nannte. In der Regel tat er das, wenn er wütend war oder sie an seine intellektuelle Überlegenheit erinnern wollte, was ihm offensichtlich sehr wichtig war. Vielleicht stimmte es ja auch. War seine offensichtliche Intelligenz nicht sogar einer der Gründe, weshalb sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte? Sie wusste es nicht mehr so genau.
    »Ich muss zurück zur Arbeit«, sagte sie.
    »Um was zu tun?«, fragte Mikael und blickte zu dem Aufseher hinüber, der gähnend hinter dem Seil in der hintersten Ecke des Raumes stand. »Büroklammern zählen und darauf warten, dass das Dezernat aufgelöst wird? Du bist dir doch wohl im Klaren darüber, dass du mir mit diesem Leike ein Riesenproblem aufgehalst hast?«
    » Ich dir?«, platzte sie ungläubig heraus.
    »Immer mit der Ruhe, Liebling. Schließlich hast du mich angerufen und mir gesagt, was Harry über diesen Leike herausgefunden hat. Und dass er ihn festnehmen wollte. Ich habe dir vertraut. Ich habe dir so sehr vertraut, dass ich Leike

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