Leopard
Schalter für die Scheinwerfer, schaltete sie ein. Sah, dass die Schneeflocken waagerecht durch die beiden Lichtkegel schossen und eine weiße, undurchdringliche Wand bildeten. Sie würden es niemals aus diesem Labyrinth bis nach Ustaoset schaffen.
KAPITEL 6 2
Transit
K im Erik Lokker war der jüngste Mitarbeiter in der Kriminaltechnik. Folglich bekam er häufig die kriminaltechnisch uninteressantesten Jobs zugeteilt. Wie zum Beispiel die Fahrt nach Drammen. Bjørn Holm hatte angedeutet, dass Bruun schwul war und gerne flirtete, aber Kim Erik sollte ja nur die Kleider abgeben, mehr nicht.
Als die GPS -Dame verkündete, dass er sein Ziel erreicht habe, parkte er den Wagen vor einem älteren Mietshaus und spazierte ungehindert in die dritte Etage bis vor die Wohnungstür, auf der auf einem einfachen, mit zwei Tesastreifen festgeklebten Zettel stand: GEIR BRUUN/ADELE VETLESEN .
Kim Erik musste zweimal klingeln, ehe er jemanden durch den Flur stapfen hörte.
Die Tür schwang nach innen auf. Der Mann hatte sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Er war unglaublich weiß, und sein blanker Schädel glänzte feucht.
»Geir Bruun? H… Hoffe, ich störe nicht«, sagte Kim Erik Lokker und streckte ihm die Plastiktüte entgegen.
»Keine Gefahr, ich schieb bloß grad ’ne Nummer«, sagte Bruun mit ebender affektierten Stimme, die Bjørn Holm nachgeäfft hatte. »Was ist das?«
»Die Kleider, die Sie uns mitgegeben haben. Die Skihose müssen wir noch bis auf weiteres behalten, fürchte ich.«
»Sonst noch was?«
Kim Erik hörte hinter Geir Bruun eine Tür aufgehen und eine definitiv weibliche Stimme zwitschern: »Was ist los, Liebling?«
»Da will jemand was abgeben.«
Eine Person tauchte hinter Geir auf. Im Gegensatz zu Geir hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, sich in ein Handtuch zu wickeln, und so konnte Kim Erik feststellen, dass es sich bei der kleinen Person um ein eindeutig weibliches Wesen handelte.
»Hi, hallo«, zwitscherte sie über Geir Bruuns Schulter. »Wenn sonst nichts mehr anliegt, würde ich ihn gerne wiederhaben.« Sie hob ihren anmutig kleinen Fuß und trat zu. Die Glasscheibe in der Tür klirrte, als sie mit einem Knall ins Schloss fiel.
Harry hatte den Scooter angehalten und starrte in das Schnee treiben.
Er hatte etwas gesehen.
Bellman hatte die Arme um seine Taille geschlungen und den Kopf im Windschatten auf Harrys Rücken gelegt.
Harry wartete. Starrte weiter.
Da war es wieder.
Eine Hütte. Ein Blockhaus. Und ein Vorratshaus.
Im nächsten Augenblick war es wieder weg. Vom Schnee weggewischt, als hätte es nie existiert. Aber Harry hatte sich die Richtung gemerkt.
Warum gab er nicht einfach Gas und fuhr darauf zu, um sie in Sicherheit zu bringen? Wieso zögerte er? Er wusste es nicht. Aber irgendetwas war mit dieser Hütte, das hatte er in den wenigen Sekunden gespürt, in denen sie sich ihm offenbart hatte. Die schwarzen Fenster wirkten unendlich verlassen und bewohnt zugleich. Er hatte kein gutes Gefühl, weshalb er nur vorsichtig Gas gab, um den Sturm nicht zu übertönen.
KAPITEL 63
Das Vorratshaus
H arry schob einen Holzscheit in den Ofen.
Bellman saß am Wohnzimmertisch und fror so, dass seine Zähne klapperten. Die Pigmentflecken schimmerten bläulich.
Sie hatten an die Tür gehämmert und in den heulenden Wind gerufen, ehe sie ein Fenster eingeschlagen hatten und in ein leeres Schlafzimmer geklettert waren. Das Bett war ungemacht, und der Geruch, der im Raum hing, verriet Harry, dass hier vor nicht allzu langer Zeit jemand geschlafen hatte. Um ein Haar hätte er eine Hand auf das Laken gelegt, um zu prüfen, ob das Bett noch warm war. Und obwohl er wusste, dass die Stube ihm nur wegen der Kälte draußen so warm vorkam, steckte er die Hand in den Ofen und kontrollierte, ob eventuell noch Glut unter der schwarzen Asche lag. Aber da war nichts.
Bellman rückte näher an den Ofen. »War auf der Geröllhalde noch was anderes als der Scooter zu sehen?«
Das waren die ersten Worte aus seinem Mund, seit er Harry nachgeschrien hatte, dass er nicht ohne ihn wegfahren solle, und sich panisch hinter ihm auf den Scooter geschwungen hatte.
»Ein Arm«, sagte Harry.
»Wessen Arm?«
»Woher soll ich das denn wissen?«
Harry stand auf und ging ins Bad. Kontrollierte, was sich dort befand. Es war nicht viel. Ein Stück Seife und ein Rasierer. Keine Zahnbürste. Eine Person. Männlich. Die sich entweder nicht die Zähne putzte oder unterwegs war. Der
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