Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
»Die Sicht ist doch gut, finden Sie nicht, Hole? Und es hat auch aufgehört zu schneien.«
    »Verdammt gute Sicht«, antwortete Harry. »Und nicht ein verdammtes Schneeflöckchen weit und breit.«
    Er sprang auf, da war der Scooter bereits angefahren.
     
    Sie bewegten sich ruckweise in kleinen Etappen vorwärts. Nie mehr als hundert Meter auf einmal. Peilten die vermutliche Route an und fuhren weiter, legten die Spur mit dem Besen frei und rückten vor. Der Strich in der linken Kufenspur, vermutlich eine Unfallfolge, bestätigte ihnen, dass sie dem richtigen Scooter folgten. In manchen Talsenken oder auf windausgesetzten Kuppen war die Spur so gut zu erkennen, dass sie schneller vorwärtskamen. Aber auch nicht allzu schnell, Harry hatte schon zweimal warnend darauf hingewiesen, dass sie einem Abgrund viel zu nahe gekommen waren. Es ging langsam auf 16 Uhr zu. Bellman schaltete die Scheinwerfer ein und aus, je nachdem wie viel Schnee fiel. Harry studierte die Karte. Er wusste nicht wirklich, wo sie sich befanden, nur dass sie sich weiter und weiter von Ustaoset entfernten. Und dass es bald dunkel sein würde. Ein Drittel Harry sorgte sich wegen des Rückwegs, was allerdings bedeutete, dass diese Frage den restlichen zwei Dritteln vollends egal war.
    Um halb fünf verloren sie die Spur.
    Das Schneetreiben war inzwischen so dicht geworden, dass sie kaum mehr etwas sahen.
    »Das ist Wahnsinn«, rief Harry durch das Brummen des Motors. »Warum warten wir nicht bis morgen?«
    Bellman drehte sich um und lächelte, statt zu antworten.
    Um fünf Uhr fanden sie die Spur wieder. Sie hielten an und stiegen ab.
    »Die geht in die Richtung«, sagte Bellman. Er ging zurück zum Scooter und rief: »Kommen Sie!«
    »Moment«, sagte Harry.
    »Warum? Kommen Sie, es wird bald dunkel.«
    »Als Sie gerade gerufen haben, haben Sie da nicht das Echo gehört?«
    »Doch, jetzt, da Sie es sagen.« Bellman blieb stehen. »Eine Felswand?«
    »Auf der Karte sind hier keine Felswände eingezeichnet«, sagte Harry und drehte sich in die Richtung, in die die Spuren führten.
    »Ein Abgrund«, brüllte er. Und bekam Antwort. Rasend schnell. Er drehte sich wieder zu Bellman um.
    »Ich glaube, der Scooter, der zu diesen Spuren gehört, ist in verdammten Schwierigkeiten.«
     
    »Was ich über Bellman weiß«, wiederholte Gjendem, um Zeit zu gewinnen. »Er gilt als sehr ehrgeizig und extrem professionell.« Worauf wollte der legendäre Nordbø nur hinaus? »Er kann alles, macht alles richtig«, fuhr Gjendem fort. »Lernt schnell und weiß inzwischen auch, wie er mit der Presse umzugehen hat. So ein whiz kid … ähm, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Der Ausdruck ist mir durchaus vertraut, ja«, sagte Bent Nordbø mit säuerlicher Miene, während er mit dem rechten Daumen und Zeigefinger unablässig sein Brillenglas bearbeitete. »Ich bin im Grunde mehr an gewissen Gerüchten interessiert.«
    »Gerüchte?«, sagte Gjendem, er merkte nicht, dass er in seine alte schlechte Angewohnheit zurückfiel und den Mund nach dem Reden offen stehen ließ.
    »Ich hoffe inständig, Sie können mit diesem Begriff etwas anfangen, Gjendem. Das ist schließlich Ihre Lebensgrundlage und die Ihres Arbeitgebers. Also?«
    Gjendem zögerte: »Mit den Gerüchten ist das so eine Sache.«
    Nordbø verdrehte die Augen: »Spekulationen. Hirngespinste, klare Lügen. So genau kommt es mir nicht darauf an. Sagen Sie schon, was wird getratscht, was kann man ihm voller Schadenfreude anhängen?«
    »N… negative Dinge, meinen Sie?«
    Nordbø seufzte tief. »Lieber Gjendem. Kommen Ihnen oft Gerüchte über die Bescheidenheit der Menschen, ihre Großzügigkeit in Geldangelegenheiten, Treue in der Ehe oder eine perfekte und nichtpsychopathische Personalführung zu Ohren? Geht es bei einem Gerücht nicht vielmehr darum, uns und anderen eine Freude zu bereiten, da es uns relativ gesehen in ein besseres Licht rückt?« Nordbø war mit dem ersten Brillenglas fertig und begann mit dem zweiten.
    »Es handelt sich wirklich um ein sehr, sehr vages Gerücht«, sagte Gjendem und fügte schnell hinzu: »Und von anderen, de nen man das Gleiche nachsagt, weiß ich sicher, dass es definitiv nicht stimmt.«
    »Als früherer Redakteur möchte ich Ihnen raten, entweder das Wort sicher oder das Wort definitiv zu streichen. Butter bei die Fische«, sagte Nordbø. »Was ist definitiv nicht sicher?«
    »Öh … Eifersucht.«
    »Sind wir das nicht alle?«
    »Manische Eifersucht mit einem Hang zur

Weitere Kostenlose Bücher