Leopard
Sicherheit zum Ziel. Warum nicht auf Nummer sicher gehen und mit der Lieblingsmordwaffe direkt zur Hütte laufen? Nein, er muss gewusst haben, dass Iska Peller und der Polizist nicht allein waren, dass wir auf ihn warteten. Deshalb hat er sich angeschlichen und uns auf die einzige Art und Weise angegriffen, die ihm Zeit zum Rückzug gab. Wir reden von einem Insider. Von jemandem, der unsere Theorie über die Håvasshütte kennt und der Lunte gerochen hat, als wir auf der Pressekonferenz den Namen einer Zeugin nannten. Die Polizeidienststelle in Ustaoset …«
»Geilo«, korrigierte ihn Kaja.
»Krongli hat in dieser Nacht jedenfalls das Eilgesuch des Kriminalamtes auf eine Landegenehmigung des Polizeihubschraubers im Nationalpark empfangen. Er muss den Zusammenhang erkannt haben.«
»Dann hätte er aber auch kapieren müssen, dass Iska Peller nicht vor Ort war, weil wir eine Zeugin niemals so einem Risiko aussetzen würden«, sagte Kaja. »Und dann ist es eher merkwürdig, dass er sich nicht ferngehalten hat.«
Harry nickte. »Gut, Kaja. Da bin ich deiner Meinung. Ich glaube auch nicht, dass Krongli zu irgendeinem Zeitpunkt angenommen hat, dass Peller sich in der Hütte befindet. Ich denke, die Lawine war bloß eine Fortsetzung dessen, was er schon eine ganze Weile treibt.«
»Und das wäre?«
»Mit uns spielen.«
»Spielen?«
»Ich habe einen Anruf von Tony Leikes Handy bekommen, während wir in der Håvasshütte waren. Tony hat meine Nummer in seiner Adressliste gespeichert. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht er mich angerufen hat. Die Sache ist die: Wer immer mich angerufen hat, hat nicht schnell genug aufgelegt, als sich die Mailbox eingeschaltet hat, so dass einen Augenblick lang Geräusche zu hören sind, bevor die Verbindung unterbrochen wird. Ich bin mir nicht sicher, aber für mich hört sich das wie Lachen an.«
»Lachen?«
»Ja, wie wenn sich jemand amüsiert. Weil er gerade von meiner Mailbox erfahren hat, dass ich mich für ein paar Tage in einem Gebiet ohne Netz aufhalte. Stell dir mal vor, Aslak Krongli sieht seine Vermutung bestätigt, dass ich mich in der Håvasshütte befinde und auf den Täter warte.«
Harry hielt inne und starrte nachdenklich vor sich hin.
»Und?«, fragte Kaja nach einer Weile.
»Ich wollte nur hören, wie diese Theorie klingt, wenn man sie laut ausspricht«, sagte Harry.
»Und?«
Er stand auf. »Hört sich ziemlich verrückt an. Aber ich werde trotzdem Kronglis Alibi für die Morde überprüfen. Wir sehen uns.«
»Truls Berntsen?«
»Ja.«
»Roger Gjendem von der Aftenposten . Haben Sie Zeit, mir ein paar kurze Fragen zu beantworten?«
»Kommt darauf an. Wenn Sie was über Jussi wissen wollen, müssen Sie mit …«
»Es geht nicht um Jussi Kolkka. Mein Beileid übrigens.«
»Okay.«
Roger hatte die Beine auf den Tisch in seinem Büro im Postgirobau gelegt und blickte über die Gebäude des Osloer Hauptbahnhofs zum Rohbau der Oper, die bald fertig sein sollte. Seit dem Gespräch mit Bent Nordbø im Stopp Pressen! hatte er sich den ganzen Tag – und auch noch Teile der Nacht – auf Mikael Bellman konzentriert. Abgesehen von dem Gerücht über den verprügelten Polizeianwärter in der Dienststelle in Stovner, schien er vollkommen sauber zu sein. Aber als Kriminaljournalist hatte Roger Gjendem über die Jahre hinweg ein festes Rudel unzuverlässiger Informanten um sich geschart, die für eine Flasche Schnaps oder einen Schuss Heroin ihre Großmutter angezeigt hätten. Und drei davon wohnten in Manglerud. Im Laufe von ein paar Telefonaten stellte sich heraus, dass alle drei auch dort aufgewachsen waren. Vielleicht stimmte, was er gehört hatte: Einmal in Manglerud, zog man dort nicht mehr weg, aber neu zog dorthin auch niemand.
Das Milieu schien übersichtlich zu sein, denn alle drei erinnerten sich an Mikael Bellman. Zum einen, weil er in Stovner ein echter Polizistenarsch gewesen war, in erster Linie aber, weil er sich an Julles Freundin rangemacht hatte, als der wegen Drogen für ein Jahr im Knast saß. Eigentlich war die Strafe auf Bewährung ausgesetzt, aber das war vom Tisch, als jemand ausplauderte, dass er unten in Mortensrud Benzin geklaut hatte. Seine Freundin, Ulla Swart, war das hübscheste Mädchen von ganz Manglerud und ein Jahr älter als Bellman. Als Julle seine Strafe abgesessen hatte und mit dem festen Vorsatz das Gefängnis ver ließ, mit Bellman abzurechnen, warteten bereits, als er seine Kawa holen wollte, zwei Kerle in der
Weitere Kostenlose Bücher