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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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den er irgendwann schon einmal gehört und wieder vergessen hatte. »Wir wollen komplexe, ineinander verzahnte Sachverhalte schaffen, in denen wir die Geschicke lenken und uns als Herrscher in unserem eigenen Universum fühlen. Wissen Sie, woran mich der ausgebrannte Raum in der Kadokfabrik am meisten erinnert hat? An einen Kontrollraum. Ein Hauptquartier. Und ich bin mir gar nicht mal sicher, ob er Leike wirklich ermorden wollte. Vielleicht wollte er ihn viel lieber eingesperrt und verurteilt sehen.«
    Es war so still im Sitzungszimmer, dass das Zwitschern eines Vogels vor dem Fenster zu hören war.
    »Aber warum?«, fragte der Pelikan. »Wenn er ihn ermorden konnte? Oder foltern?«
    »Weil Schmerz und Tod nicht das Schlimmste für einen Menschen sind«, sagte Harry und hörte wieder das Echo. »Das Schlimmste ist die Demütigung. Und die hat er Leike gewünscht. Die Demütigung, alles zu verlieren, was er hat. Der Fall, die Scham.«
    Er nahm ein kaum sichtbares Lächeln auf Beate Lønns Lippen wahr, sah sie zustimmend nicken.
    »Aber«, fuhr er fort, »wie bereits erwähnt wurde, hatte Tony Leike – zum Nachsehen unseres Mörders – ein Alibi. Und somit kam Tony mit der Ersatzstrafe davon, einem langsamen und garantiert grausamen Tod.«
    In der Stille, die folgte, flimmerte der Fetzen einer Erinnerung an Harrys innerem Auge vorbei. Der Geruch von verbranntem Fleisch. Im nächsten Moment schienen alle Anwesenden gleichzeitig Luft zu holen.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte der Pelikan.
    Harry hob den Blick. Der zwitschernde Vogel auf dem Ast vor dem Fenster war ein Buchfink. Ein zu früh zurückgekehrter Zugvogel. Der den Menschen Hoffnung machte auf einen baldigen Frühling, selber aber in der nächsten Frostnacht erfrieren würde.
    Verdammt, dachte Harry. Verdammt.

KAPITEL 68
     
    Der Kavalier
     
    E s wurde eine lange Morgenbesprechung im Kriminalamt.
    Bjørn Holm berichtete über die kriminaltechnischen Untersuchungen in der Kadokfabrik. Es waren weder Sperma noch andere physische Spuren des Täters gefunden worden. Der Raum, den er genutzt hatte, war tatsächlich komplett ausgebrannt, der PC hatte sich in einen Klumpen Metall verwandelt, dem nichts mehr zu entlocken war.
    »Vermutlich ist er über ungesicherte Netzwerke in der Umgebung ins Internet gegangen, davon gibt es reichlich in Nydalen.«
    »Aber er muss doch irgendwelche elektronischen Spuren hinterlassen haben«, leierte Ærdal ungefähr so enthusiastisch wie einen auswendig gelernten Refrain herunter.
    »Wir können natürlich beantragen, in einige der über hundert Netzwerke der Gegend Einblick zu bekommen, um nach etwas zu suchen, von dem wir nicht wissen, was es ist«, sagte Holm. »Aber ich habe keine Ahnung, wie viele Wochen wir dafür brauchen würden, wenn wir denn überhaupt etwas finden.«
    »Überlasst das mir«, sagte Harry. Er war bereits auf dem Weg zur Tür, wobei er eine Nummer wählte. »Ich kenne da jemanden.«
    Er ließ die Tür einen Spalt weit offen stehen und hörte während des Wartens einen anderen Ermittler berichten, dass keiner der Anwohner jemanden in der Kadokfabrik oder auf dem Weg dorthin bemerkt habe, was nicht weiter erstaunlich sei, da diese gut versteckt hinter Bäumen und Büschen liege und es Winter und deswegen die meiste Zeit dunkel sei.
    Harry bekam eine Verbindung. »Katrine Bratts Sekretärin.«
    »Hallo?«
    »Fräulein Bratt ist gerade auf dem Weg zum Speisesaal.«
    »Sorry, Katrine, aber das Essen muss warten. Hör mal …«
    Katrine hörte schweigend zu, während Harry erzählte, was er von ihr wollte:
    »Der Typ hatte Bilder an den Wänden hängen, die vermutlich von irgendwelchen Nachrichtenseiten im Netz stammen. Mit der Suchmaschine kannst du dich in die Netzwerke der Gegend einloggen, die Logfiles überprüfen und herausfinden, wer auf den Nachrichtenseiten war, die über die Morde berichtet haben. Vermutlich waren eine Menge Leute auf diesen Seiten …«
    »Ja, aber wahrscheinlich nicht so umfänglich wie er«, konterte Katrine. »Ich erstelle eine Liste, geordnet nach der Größe der Downloads.«
    »Hm. Du hast schnell gelernt.«
    »Das liegt an meinem Namen. Bratt, das bedeutet eigentlich steil. Wie die Lernkurve, kapiert?«
    Harry ging wieder zu den anderen zurück, die sich gerade die Mailboxnachricht anhörten, die von Leikes Handy bei Harry eingegangen war. Sie war zur Stimmenanalyse nach Trondheim ins NTNU -Institut geschickt worden, wo man gute Erfahrungen mit der Analyse der

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