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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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weiß.
    Harry stand auf, trat gegen den Stuhl, zog den Wollmantel über und ging nach draußen.
    Er fuhr in die Stadt und parkte grauenhaft gesetzwidrig vor dem Norwegischen Theater. Ging quer über die Straße und verschwand in der Hotelrezeption.
    Der Kapitän hatte seinen Spitznamen vermutlich der roten Uniform und seinem beständigen Drang zu verdanken, alles und jeden zu kommentieren – und herumzukommandieren. Außerdem betrachtete er sich als die Schnittstelle des Stadtzentrums, den Mann, der seine Finger am Puls Oslos hatte und alles wusste. Ein Informant mit großem I, ein unschätzbarer Baustein der Polizeimaschinerie, die die Sicherheit Oslos gewährleistete.
    »Im hintersten Kämmerchen meines Hirns höre ich eine etwas seltsame Stimme«, sagte der Kapitän und dachte dann schmatzend über seine eigenen Worte nach. Harry sah, wie der Mann an der Rezeption, der neben dem Kapitän stand, die Augen verdrehte.
    »Irgendwie schwul«, fuhr der Kapitän fort.
    »Sie meinen hoch?«, fragte Harry und dachte an die Aussage von Adeles Freunden. Dass die Stimme ihres Kavaliers sie irgendwie abturnte, weil sie sie an ihren schwulen Mitbewohner erinnerte.
    »Nein, eher so.« Der Kapitän winkelte sein Handgelenk an, klimperte mit den Augenlidern und gab eine schrille Tuntenparodie zum Besten: »Ich bin ja ssoooo enttäuscht von dir, Ssøren.«
    Sein Kollege, auf dessen Namensschild tatsächlich SØREN stand, kicherte.
    Harry bedankte sich und wäre fast wieder dem Impuls gefolgt, den Kapitän zu bitten, sich noch einmal zu melden, sollte etwas geschehen. Er ging nach draußen, zündete sich eine Zigarette an und blickte zum Namenszug des Hotels empor. Da war was … Im selben Augenblick wurde er auf das Auto des städtischen Ordnungsdienstes aufmerksam, das hinter seinem Wagen stand. Ein Mann in einem Overall notierte sich seine Autonummer.
    Harry überquerte die Straße und streckte ihm seinen Dienstausweis entgegen. »Polizei im Dienst.«
    »Das hilft auch nicht, Halteverbot ist Halteverbot«, sagte der Overall, ohne mit dem Schreiben innezuhalten. »Sie können ja Einspruch einlegen.«
    »Nun«, sagte Harry. »Sie wissen doch, dass auch wir berechtigt sind, Bußzettel für falsches Parken auszuschreiben?«
    Der Mann blickte mit einem Grinsen auf: »Wenn Sie glauben, ich überlasse es Ihnen, Ihren eigenen Strafzettel zu schreiben, irren Sie sich, Kamerad.«
    »Ich dachte eher an das Auto da.« Harry streckte den Arm aus.
    »Das ist meins, vom Ordnungsdienst.«
    »Halteverbot ist Halteverbot.«
    Der Overall sah ihn sauer an.
    Harry zuckte mit den Schultern. »Sie können ja Einspruch einlegen, Kamerad.«
    Der Overall klappte seinen Notizblock zu, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu seinem Auto.
    Als Harry in die Universitätsgata einbog, klingelte sein Handy. Es war Gunnar Hagen. Die Stimme des sonst so beherrschten Chefs des Dezernats für Gewaltverbrechen zitterte:
    »Du musst sofort kommen, Harry!«
    »Was ist denn passiert?«
    »Komm einfach her, in den Tunnel.«
     
    Harry hörte die Stimmen und sah die Blitzlichter, lange bevor er das Ende des Betonkorridors erreicht hatte. Vor der Tür des letzten Büros standen Gunnar Hagen und Bjørn Holm. Eine Frau der Kriminaltechnik puderte die Tür und die Türklinke auf der Jagd nach Fingerabdrücken ein, während ein Holm-Lookalike Bilder von einem halben Stiefelabdruck in der Ecke an der Wand machte.
    »Der Abdruck da ist alt«, sagte Harry. »Der war schon hier, bevor wir eingezogen sind. Was ist denn los?«
    Holms Doppelgänger blickte zu Bjørn, der ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, dass er aufhören konnte.
    »Einer der Gefängnisangestellten hat den hier auf dem Boden vor der Tür entdeckt«, sagte Hagen und streckte ihm eine Beweistüte entgegen, in der ein brauner Umschlag steckte. Unter dem Plastik erkannte Harry seinen Namen. Ausgedruckt auf einem Adressaufkleber, der anschließend auf den Umschlag geklebt worden war.
    »Der Gefängnisangestellte meint, der Umschlag könne höchstens ein paar Tage dort gelegen haben, es geht ja nicht jeden Tag jemand durch den Tunnel.«
    »Wir bestimmen die Feuchtigkeit des Papiers, indem wir hier einen entsprechenden Umschlag hinlegen und verfolgen, wann er den gleichen Feuchtigkeitsgrad erreicht hat. Dann können wir das zurückrechnen.«
    »Sieh an, CSI lässt grüßen«, sagte Harry.
    »Auch wenn uns der Zeitpunkt nicht unbedingt weiterhilft«, sagte Hagen. »Wir haben keine Überwachungskameras auf dem

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