Leopard
Adeles Kavalier war sauer und hatte sich schlafen gelegt. So konnten er und Adele ungehindert flirten. Er hatte Trouble zu Hause, und ihre Begeisterung für den Mann, mit dem sie zusammen war, begann allmählich zu erkalten. Adele und Tony hatten Lust aufeinander, aber in der Hütte waren zu viele Leute. Also haben sie sich in die Nacht hinausgeschlichen und vorm Klohäuschen getroffen. Sie küssten und berührten sich, er stellte sich hinter sie und zog seine Hose runter und war inzwischen so erregt, dass sich auf seiner Eichel das sammelte, was sie bei der Sitte ›präejakulative Sekretion‹ nennen. Davon ist was auf die Skihose gekommen, ehe sie dann richtig losgelegt haben. Ihre Lustschreie weckten Elias Skog, der sie von seinem Fenster aus beobachtete. Und ich glaube, dass sie auch ihren Kavalier damit geweckt hat, der von seinem Zimmer aus alles gesehen hat. Ihr war das wahrscheinlich scheißegal. Tony hingegen hat versucht, ihre Schreie zu ersticken.«
»Warum soll es nur ihr scheißegal gewesen sein, warum ihm nicht auch?«, platzte der Pelikan heraus. »Immer sind es die Frauen, die wegen solcher ›Unsittlichkeiten‹ stigmatisiert werden, bei Männern erhöht sich doch höchstens noch der Status. In den Augen anderer Männer, wohlgemerkt.«
»Tony Leike hatte mindestens zwei gute Gründe, die Schreie zu ersticken«, sagte Harry. »Zum einen wird er sein freizügiges Sexualleben nicht gern an die große Glocke hängen wollen, während er in der Regenbogenpresse als Verlobter der Nation gehandelt wird und es zudem das Geld von seinem zukünftigen Schwiegervater ist, das sein Projekt im Kongo retten soll. Zum anderen ist Tony Leike ein erfahrener Bergwanderer und kannte sich in der Gegend aus.«
»Was zum Teufel hat das mit der Sache zu tun?«
Ein glucksendes Lachen ertönte, alle drehten sich zur Stirnseite des Tisches um, wo Mikael Bellman saß.
»Lawine«, sagte er lachend. »Tony Leike machte sich Sorgen, dass Adele Vetlesens Lustschreie eine Lawine auslösen könnten.«
»Tony wusste wahrscheinlich, dass mehr als drei Viertel aller Lawinenopfer die Lawinen selber ausgelöst haben«, sagte Harry.
Vereinzelt ertönte ungläubiges Lachen rund um den Tisch, selbst die Mundwinkel des Pelikans zuckten.
»Aber wie kommen Sie darauf, dass Adeles Kavalier sie gesehen hat?«, fragte sie. »Und dass Adele das egal war. Kann doch sein, dass sie sich im Eifer des Gefechts vergessen hat?«
»Weil«, sagte Harry und lehnte sich im Stuhl zurück, »Adele das schon öfter gemacht hatte. Einmal hat sie einem Freund eine MMS geschickt, während ein anderer Mann sie vögelte. Ein gnadenloser, aber eindeutiger Bescheid. Nach Aussage ihrer Freunde hat sie den Typen aus der Håvasshütte nach dem Ausflug nicht wiedergesehen.«
»Interessant«, sagte Bellman. »Aber wohin führt uns das?«
»Zum Motiv«, sagte Harry. »Zum ersten Mal bei diesem Fall haben wir ein mögliches ›Warum‹.«
»Das heißt, wir lassen die Theorie von dem verrückten Serienmörder fallen?«, fragte Ærdal.
»Der Schneemann hatte auch ein Motiv«, sagte Beate Lønn, die in diesem Moment den Raum betrat und sich ans untere Ende des Tisches setzte. »Abgedreht, vielleicht verrückt. Aber definitiv ein Motiv.«
»Das hier ist viel simpler«, sagte Harry. »Die gute alte Eifersucht. Das Motiv für zwei von drei Morden in diesem Land. Und auch in den meisten anderen Ländern. So gesehen sind wir Menschen ziemlich vorhersehbar.«
»Das erklärt vielleicht die Morde an Adele Vetlesen und Tony Leike«, sagte der Pelikan.»Aber was ist mit den anderen?«
»Die mussten aus dem Weg geräumt werden«, sagte Harry. »Sie alle waren potentielle Zeugen des Vorfalls in der Håvasshütte und hätten zur Polizei gehen können und uns das fehlende Motiv liefern. Und was noch schwerer wiegt: Sie waren Zeugen seiner absoluten Demütigung, in aller Öffentlichkeit betrogen zu werden. Für einen instabilen Menschen kann das allein schon Grund genug sein.«
Bellman klatschte in die Hände. »Ich hoffe, wir bekommen recht bald Antworten auf wenigstens einige dieser Fragen. Ich habe mit Krongli gesprochen, der meint, dass das Wetter im Suchgebiet allmählich besser wird. Jetzt ist es möglich, Hunde rauszuschicken und einen Helikopter einzusetzen. Gibt es einen Grund, wieso Sie nicht eher erwähnt haben, dass Sie die Leiche für Tony Leike halten, Harry?«
Harry zog die Schultern hoch. »Ich habe damit gerechnet, dass die Leiche viel früher gefunden wird,
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