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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Weg, den er vermutlich genommen hat. Das dürfte ganz einfach gewesen sein. Rein durch eine überfüllte Rezeption und hier runter mit dem Fahrstuhl, wo es bis zum Gefängnis keine einzige verschlossene Tür gibt.«
    »Warum sollte man hier unten auch abschließen«, sagte Harry. »Jemand was dagegen, dass ich mir eine anstecke?«
    Niemand antwortete, aber die Blicke sprachen für sich. Harry zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht rückt irgendwann mal jemand damit heraus, was in dem Umschlag war«, sagte er.
    Bjørn Holm hielt einen anderen Beweisbeutel hoch.
    In dem diffusen Licht war der Inhalt schwer zu erkennen, so dass Harry einen Schritt näher trat.
    »Oh, verdammt.« Er wich zurück.
    »Der Mittelfinger«, sagte Hagen.
    »Sieht so aus, als wäre er erst gebrochen worden«, sagte Bjørn. »Glatte Schnittfläche ohne Fransen. Abgehackt, vermutlich mit einer Axt. Oder einem großen Messer.«
    Aus dem Tunnel hallte ihnen der Klang schneller Schritte entgegen.
    Harry konnte den Blick nicht abwenden. Der Finger war weiß und blutleer und hatte eine blauschwarz verfärbte Fingerkuppe.
    »Was ist das? Hast du einen Fingerabdruck genommen?«
    »Ja«, sagte Bjørn. »Und mit etwas Glück ist die Antwort gerade unterwegs.«
    »Ich tippe auf die linke Hand«, sagte Harry.
    »Gut geraten, das ist richtig«, sagte Hagen.
    »Sonst hat der Umschlag nichts enthalten?«
    »Nein, jetzt weißt du genauso viel wie wir.«
    »Vielleicht«, sagte Harry und fingerte an seinem Zigarettenpäckchen herum. »Aber ich weiß ein bisschen mehr über diesen Finger.«
    »Daran haben wir auch schon gedacht«, sagte Hagen und tauschte einen Blick mit Bjørn Holm aus. Die schnellen Schritte kamen näher. »Der Mittelfinger der linken Hand. Das ist der gleiche Finger, den der Schneemann dir genommen hat.«
    »Ich habe hier etwas«, unterbrach sie eine Kriminaltechnikerin.
    Die anderen drehten sich zu ihr um.
    Sie saß in der Hocke und hielt etwas zwischen Daumen und Zeigefinger. Es war schwarz und grau. »Sieht das nicht so aus wie die kleinen Steinchen, die wir bei Borgny am Tatort gefunden haben?«
    Harry kam näher. »Stimmt, das ist Lavagestein.«
    Ein Mann mit einem um den Hals hängenden Dienstausweis trat aus dem Tunnel in das Zimmer. Er blieb vor Bjørn Holm stehen, stemmte die Hände auf die Knie und rang nach Atem.
    »Nun, Kim Erik?«, fragte Holm.
    »Wir haben einen Treffer«, sagte der junge Mann mit rasselndem Atem.
    »Lass mich raten«, sagte Harry und steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen.
    Die anderen sahen ihn an.
    »Tony Leike.«
    Kim Erik sah aufrichtig enttäuscht aus: »W… wie …?«
    »Ich habe seine rechte Hand unter dem Scooter hervorragen sehen, und an der fehlte kein Finger. Also muss es die linke gewesen sein.« Harry nickte in Richtung Tüte. »Der Finger ist nicht gebrochen, der ist nur verkrümmt. Gute alte Gicht. Erblich, aber nicht ansteckend.«

KAPITEL 69
     
    Schreibschrift
     
    D ie Frau, die die Tür der Reihenhauswohnung in Hovseter öffnete, hatte breite Schultern wie ein Ringer und war genauso groß wie Harry. Sie sah ihn geduldig an, als wäre sie es gewohnt, den Menschen ein bisschen Zeit zu geben, um sich zu sammeln.
    »Ja?«
    Harry erkannte Frida Larsens Stimme vom Telefon wieder, zu der er sich eine zierliche, kleine Frau vorgestellt hatte.
    »Harry Hole«, sagte er. »Ich habe Ihre Adresse über Ihre Telefonnummer gefunden. Ist Felix da?«
    »Der ist unterwegs und spielt Schach«, sagte sie tonlos, als wäre das eine Standardfrage. »Schicken Sie eine Mail.«
    »Ich würde gern mit ihm reden.«
    »Worüber?« Sie füllte die Tür auf eine Weise aus, die ihm jeglichen Einblick ins Innere des Hauses verwehrte, was nicht nur an ihrer Größe lag.
    »Wir haben im Keller des Polizeipräsidiums Lava gefunden. Ich möchte wissen, ob die Steine aus demselben Vulkan stammen wie der letzte, den wir ihm geschickt haben.«
    Harry stand zwei Treppenstufen unter ihr und hielt den kleinen Stein hoch. Aber sie rührte sich nicht von der Türschwelle.
    »Unmöglich zu beurteilen«, sagte sie. »Schicken Sie eine Mail an Felix.« Sie machte Anstalten, die Tür zu schließen.
    »Lava ist doch wohl Lava«, sagte Harry.
    Sie zögerte. Harry wartete. Aus Erfahrung wusste er, dass kein Fachmann es unterlassen konnte, einen Laien zu korrigieren.
    »Jeder Vulkan hat Lava einer ganz bestimmten Zusammensetzung«, sagte sie. »Die von Ausbruch zu Ausbruch variiert. Sie müssen den Stein analysieren. Der Eisengehalt

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