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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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sagt viel aus.« Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihr Blick desinteressiert.
    »Eigentlich wollte ich auch noch nach diesen Leuten fragen, die um die Welt reisen, um sich Vulkane anzusehen«, sagte Harry. »Das können doch nicht so viele sein, vielleicht hat Felix einen Überblick über die Leute hier aus Norwegen.«
    »Wir sind mehr, als Sie glauben«, sagte sie.
    »Dann gehören Sie auch dazu?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Auf welchem Vulkan waren Sie zuletzt?«
    »Am Ol Doinyo Lengai in Tansania. Und wir waren nicht auf, sondern am Vulkan. Es gab einen Ausbruch. Magmatisches Natriumkarbonatit. Die Lava, die austritt, ist schwarz, reagiert aber an der Luft und wird nach ein paar Stunden vollkommen weiß, weiß wie Schnee.«
    In ihre Stimme war Leben gekommen, und auch ihr Gesicht begann zu leuchten.
    »Warum will er nicht reden?«, fragte Harry. »Ist Ihr Bruder stumm?«
    Ihr Gesicht erstarrte wieder, und ihre Stimme klang erneut flach und tot: »Schicken Sie eine Mail.«
    Sie knallte die Tür so fest zu, dass er Staub in ein Auge bekam.
     
    Kaja parkte im Maridalsveien, sprang über die Leitplanke und kletterte vorsichtig die steile Böschung in das Wäldchen hinunter, in der die Kadokfabrik lag. Sie schaltete die Lampe ein, schob sich durchs Gestrüpp und drückte kahle Äste weg, die ihr ins Gesicht schlagen wollten. Es war das reinste Dickicht, Schatten huschten wie lautlose Wölfe um sie herum, und wenn sie stehenblieb, lauschte und sich umsah, fielen die Schatten der Bäume auf Bäume und Bäume, so dass man weder vor noch zurück wusste, wie in einem Spiegellabyrinth. Aber sie hatte keine Angst. Eigentlich komisch, dass sie, die sie sich so vor verschlossenen Türen fürchtete, keine Angst im Dunkeln hatte. Sie horchte auf das Rauschen des Flusses. Hatte sie noch andere Geräusche gehört? Einen Laut, der nicht hierher passte? Sie ging weiter. Duckte sich unter einem vom Wind gestürzten Stamm hindurch und blieb wieder stehen. Genau wie beim letzten Mal verstummten die anderen Geräusche sofort. Kaja atmete tief durch und dachte den Gedanken zu Ende: als wenn ihr jemand folgte, der nicht entdeckt werden wollte.
    Sie drehte sich um und leuchtete hinter sich. War sich mit einem Mal nicht mehr sicher, ob sie nicht doch Angst im Dunkeln hatte. Ein paar Zweige schwangen im Lichtkegel hin und her, aber die hatte sie wohl selbst in Bewegung versetzt.
    Dann wandte sie sich wieder nach vorn.
    Und schrie auf, als das Licht ihrer Taschenlampe auf ein leichenblasses Gesicht mit weit aufgerissenen Augen fiel. Sie ließ die Lampe fallen und wich zurück, aber die Gestalt folgte ihr mit einem schnorchelnden Laut, der an ein Lachen erinnerte. Im Dunkel konnte sie erkennen, dass sich die Gestalt bückte und sich dann wieder aufrichtete. Im nächsten Augenblick wurde sie von dem Licht ihrer eigenen Taschenlampe geblendet.
    Sie hielt den Atem an.
    Das Schnorcheln und Lachen brachen ab.
    »Hier«, sagte ein Mann mit einer krächzenden Stimme, und das Licht machte einen kleinen Hüpfer.
    »Hier?«
    »Ihre Lampe«, sagte er.
    Kaja nahm die Lampe entgegen und leuchtete etwas neben ihn, so dass sie ihn sehen konnte, ohne ihn zu blenden. Er hatte blonde Haare und eine etwas vorstehende Kieferpartie.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Truls Berntsen. Ich arbeite mit Mikael zusammen.«
    Natürlich hatte sie von Truls Berntsen gehört. Dem Schatten. Nannte Mikael ihn nicht Beavis?
    »Ich bin …«
    »Kaja Solness.«
    »Ja, äh, woher wissen …« Sie schluckte und formulierte ihre Frage um. »Was machen Sie hier?«
    »Das Gleiche wie Sie«, antwortete er mit monotoner Krächzstimme.
    »Äh, tja, und was mache ich hier?«
    Er lachte sein schnorchelndes Lachen. Antwortete aber nicht. Stand einfach nur mit hängenden, leicht vom Körper abstehenden Armen vor ihr. Eines seiner Augenlider zitterte, als wäre ein Insekt darunter gefangen.
    Kaja seufzte. »Wenn Sie das Gleiche tun wie ich, sind Sie hier, um die Fabrik im Auge zu behalten«, sagte sie. »Sollte er doch wieder auftauchen.«
    »Ja, sollte er«, sagte Beavis, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
    »Ganz unwahrscheinlich ist das ja nicht«, erwiderte sie. »Es ist ja nicht sicher, dass er von dem Feuer weiß.«
    »Mein Vater hat hier unten gearbeitet«, sagte Beavis. »Er pflegte zu sagen, dass er PSG herstellte, PSG hustete und zu PSG wurde.«
    »Sind noch mehr Leute vom Kriminalamt hier? Hat Mikael Sie hierherbeordert?«
    »Sie treffen ihn nicht mehr, oder? Jetzt treffen Sie

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