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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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eigenen, staatlich finanzierten Gorilla bräuchte. Ich glaube, ich lasse das lieber. Okay.«
    Rasmus lachte lautlos und massierte ihr mit den Fingern seine Zustimmung ein.
     
    Der Wind pfiff durch die kahlen Bäume des Frognerparks. Eine Ente mit tief im Gefieder verstecktem Kopf trieb über die nächtlich schwarze Wasserfläche. Im Frognerbad klebte nasses Laub auf den Fliesen des leeren Schwimmbads. Der Ort wirkte unendlich verlassen, eine verlorene Welt. Im Springerbecken schuf der Wind Turbulenzen, die als monotoner, klagender Ton zu dem zehn Meter hohen weißen Sprungturm aufstiegen, der sich wie ein Galgen vor dem Nachthimmel abzeichnete.

KAPITEL 8
     
    Snow Patrøl
     
    E s war drei Uhr nachmittags, als Harry wach wurde. Er öffnete seine Tasche, zog saubere Kleider an, nahm einen Wollmantel aus dem Schrank und ging nach draußen. Der Regen ließ ihn wach genug werden, um einigermaßen nüchtern auszusehen, als er den braunen, verrauchten Gastraum des Restaurants Schrøders betrat. Sein Tisch war besetzt, so dass er sich ganz hinten unter den Fernseher setzte.
    Er sah sich um. Über den Biergläsern sah er ein paar unbekannte Gesichter, ansonsten schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Nina kam zu ihm und stellte einen weißen Becher und eine Stahlkanne mit Kaffee vor ihm auf den Tisch.
    »Harry«, sagte sie. Das war kein Gruß, sondern eher eine Feststellung, dass es sich wirklich um ihn handelte.
    Harry nickte. »Hallo, Nina. Habt ihr alte Zeitungen?«
    Nina verschwand im Hinterzimmer und kam mit einem Stapel vergilbtem Papier zurück. Harry hatte nie verstanden, warum sie bei Schrøders alte Zeitungen sammelten, aber das hatte ihm schon mehrmals aus der Klemme geholfen.
    »Long time« , sagte Nina und verschwand. Und Harry wusste wieder, was ihm am Schrøders so gefiel, sah man einmal davon ab, dass kein anderes Lokal so nah bei seiner Wohnung lag. Es waren die knappen Sätze. Und der Respekt vor dem Privatleben anderer. Hier wurde festgestellt, dass man wieder da war, ohne dass man erklären musste, was man in der Zwischenzeit gemacht hatte.
    Harry trank zwei Tassen des verblüffend schlechten Kaffees, während er im Schnelldurchlauf die Zeitungen durchblätterte, um sich einen Überblick zu verschaffen, was in den letzten Monaten im Königreich passiert war. Es war wie gewöhnlich nicht viel, und das mochte er sehr an Norwegen.
    Jemand war Superstar geworden, ein Prominenter hatte sich bei einem Tanzwettbewerb geoutet, ein Fußballer der dritten Liga hatte Kokain genommen, und Lene Galtung, die Tochter des Schiffsreeders Anders Galtung, hatte einen Millionen vorschuss auf ihr Erbe bekommen und sich mit einem gutaussehenden, aber vermutlich nicht annähernd so reichen Investor na mens Tony verlobt. Der Redakteur des Liberal, Arve Støp, vertrat die Meinung, die noch immer praktizierte Monarchie sei allmählich peinlich für eine Nation, die sich gerne als sozialdemokratisches Vorbild darstellte. Kurz gesagt, alles war beim Alten.
    In den Zeitungen vom Dezember entdeckte Harry die ersten Artikel über den Mordfall. Er erkannte Kajas Beschreibung des Tatorts wieder, ein Keller in einem noch unfertigen Bürokomplex in Nydalen. Die Todesursache war unklar, die Polizei schloss ein Gewaltverbrechen aber nicht aus.
    Harry blätterte weiter und las etwas über einen Politiker, der stolz berichtete, von seinem Ministerposten zurückgetreten zu sein, um mehr Zeit für die Familie zu haben.
    Schrøders’ Zeitungsarchiv war sicher nicht vollständig, aber der zweite Mord tauchte zwei Wochen nach dem ersten auf.
    Die Frau war hinter einem kaputten Datsun gefunden worden, der an einem Waldrand am Dausjøen im Maridalen abgestellt worden war. Die Polizei schloss ein Gewaltverbrechen nicht aus, verriet aber auch in diesem Fall nichts über die Todesursache.
    Harrys Augen scannten den Artikel. Das Schweigen der Polizei konnte nur einen Grund haben; sie hatten nichts, nada , das Radar schweifte über eine freie, leere Meeresfläche.
    Zwei Morde. Mehr nicht. Trotzdem war Hagen sich seiner Sache sicher gewesen, als er sagte, es handele sich um einen Serientäter. Wo war der Zusammenhang? Was stand nicht in den Zeitungen? Harrys Hirn begann, die alten, bekannten Wege zu gehen. Er fluchte, verärgert darüber, die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen zu können, und blätterte weiter.
    Als die Metallkanne leer war, legte er einen zerknüllten Schein auf den Tisch, trat auf die Straße, schlug den Mantel enger um sich

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