Leopard
Polizist.
»Nur noch eine letzte Frage«, sagte Harry. »Der Schneemann hat gesagt, der Mörder würde sich an mich anschleichen, heimlich, wahrscheinlich in einem schwachen Augenblick. Wie haben Sie das gemacht?«
Sigurd setzte seine Brille wieder auf. »Alle Patienten, die aufgenommen werden, müssen eine Person als ihren nächsten Angehörigen angeben. Ihr Vater hat offenbar Sie angegeben, denn in der Kantine hörte ich eine der Krankenschwestern sagen, sie habe den Vater von Harry Hole auf der Station, dem berühmten Polizisten, der seinerzeit den Schneemann gefasst hat. Ich bin mit Sicherheit davon ausgegangen, dass jemand mit Ihrem Ruf auf diesen Fall angesetzt werden würde. Damals habe ich eigentlich auf ganz anderen Stationen gearbeitet, ich konnte dann aber den entsprechenden Stationsarzt dazu bringen, Ihren Vater in das Anästhesieprojekt aufzunehmen, das ich bearbeite. Ich habe vorgegeben, er passe perfekt in meine Testgruppe. Ich dachte, ich könnte einen Einblick in den Stand der Ermittlungen bekommen, wenn ich über ihn mit Ihnen bekannt werde.«
»Sie wollten in der Nähe sein, meinen Sie. Am Puls des Geschehens, um Ihre Überlegenheit zu spüren?«
»Als Sie endlich auftauchten, musste ich aufpassen, nicht direkt nach den Ermittlungen zu fragen.« Sigurd Altman holte tief Luft. »Ich durfte ja kein Misstrauen wecken. Musste geduldig sein, darauf warten, dass sich eine Vertrauensbasis zwischen uns entwickelte.«
»Und das ist Ihnen gelungen.«
Sigurd Altman nickte langsam. »Danke, ich mag den Gedanken, für vertrauenswürdig gehalten zu werden. Im Übrigen habe ich den Raum in der Kadokfabrik als Schneideraum bezeichnet. Als ihr da eingebrochen seid, habe ich die Beherrschung verloren. Das war mein Zuhause. Ich war so wütend, dass ich fast die Herz-Lungen-Maschine Ihres Vaters abgestellt hätte. Aber ich habe es nicht getan. Ich wollte nur, dass Sie das wissen.«
Harry antwortete nicht.
»Eine Sache noch«, sagte Sigurd. »Wie haben Sie das mit der verschlossenen Touristenhütte rausgekriegt?«
Harry zuckte mit den Schultern. »Zufall. Ich musste mit einem Kollegen da Zuflucht suchen. Und da hatten wir den Eindruck, dass kurz zuvor jemand dort gewesen war. Außerdem klebte am Ofen eine verbrannte Substanz, die ich für Fleisch gehalten habe. Es dauerte aber eine Weile, bis ich die Krümel mit dem Arm in Verbindung brachte, der wie eine verbrannte Grillwurst unter dem Schneescooter herausragte. Der zuständige Dorfpolizist war in der Hütte, hat die Substanz abgekratzt und zur DNA -Analyse geschickt. Das Ergebnis haben wir in ein paar Tagen. Tony hat dort persönliche Sachen aufbewahrt. In einer Schublade habe ich zum Beispiel ein altes Familienfoto gefunden. Tony als Jungen. Sie haben nicht gründlich genug aufgeräumt, Sigurd.«
Der Polizist war vor der Fahrertür stehengeblieben, deren Fenster Bjørn nach unten gekurbelt hatte. Er beugte sich hinunter und sah an Bjørn vorbei zu Sigurd Altman.
»Hallo, Ole«, sagte Skai. »Ich nehme dich hiermit fest für den Mord an einer Reihe Menschen, deren Namen ich dir jetzt eigentlich vorlesen sollte, aber das holen wir dann später nach. Bevor ich um das Auto herumgehe und die Tür öffne, will ich, dass du beide Hände auf das Armaturenbrett legst, damit ich sie sehen kann. Ich werde dir Handschellen anlegen, und du wirst mich dann in eine schöne, frischgeputzte Zelle begleiten. Meine Frau hat Frikadellen mit Rübenpüree gemacht, das magst du doch, oder? Ist das okay, Ole?«
TEIL VII I
KAPITEL 75
Transpiration
W as zum Teufel hat das zu bedeuten?«
Es war sieben Uhr morgens, das Kriminalamt erwachte langsam zum Leben, und in Harrys Türöffnung stand ein rasender Mikael Bellman mit der Aktentasche in der einen und der Aftenposten in der anderen Hand.
»Wenn Sie die Aftenposten meinen …«
»Die meine ich!« Bellman knallte die Zeitung auf den Tisch.
Die Schlagzeile nahm die halbe Titelseite ein. » DER KAVALIER. HEUTE NACHT FESTGENOMMEN «. Die Bezeichnung »der Kavalier« hatte die Presse noch am selben Tag spitzgekriegt, nachdem sie ihn im Besprechungszimmer Odin aus der Taufe gehoben hatten. HEUTE NACHT FESTGENOMMEN war natürlich nicht ganz korrekt, es war eher abends gewesen, aber Skai war erst nach Mitternacht dazu gekommen, die Pressemitteilung zu verschicken. Die letzte Nachrichtensendung im Fernsehen war da bereits gelaufen, und die Deadline der Zeitungsredaktionen war fast erreicht gewesen. Skai hatte nicht viele
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