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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Zeit den Zusammenhang erkannt haben. Es stand ja jede Menge in den Zeitungen. Der Erpressungsversuch passt im Übrigen gut zu den Meldungen der Finanzpresse, dass Tony verzweifelt Geld für sein Kongo-Projekt sucht. Ole fällt eine Entscheidung. Auch wenn er Tony lieber mit der Schande hätte leben lassen, muss er nun zu anderen Mitteln greifen, ehe alles außer Kontrolle gerät. Tony muss sterben. Er beschattet ihn. Fährt mit ihm im Zug nach Ustaoset. Er folgt seinen Scooterspuren zu einer geschlossenen Touristenhütte, die zwischen Klüften und Abgründen liegt. Und stellt ihn dort. Tony erkennt das Gespenst, den Jungen aus der Disco, der, dem er die Zunge rausgeschnitten hat. Sicher weiß er, was ihn erwartet. Und Ole nimmt wahrhaft Rache. Er foltert Tony. Mit Feuer. Vielleicht, damit Tony ihm den Namen eventueller Mitwisser bei der Erpressung nennt, vielleicht aber auch nur zu seiner eigenen Befriedigung.«
    Altman kurbelte die Scheibe ruckartig nach oben.
    »Kalt«, sagte er kurz.
    »Währenddessen erfährt er aus den Nachrichten, dass Iska Peller in der Håvasshütte ist. Ole erkennt seine Chance, der ganzen Sache ein Ende zu machen, wittert aber auch eine Falle. Er erinnert sich an das Schneebrett oberhalb der Hütte und daran, dass die Ortsansässigen die Lage der Hütte als lawinengefährdet bezeichnet hatten. Er beschließt, Tony als Bergführer mit zunehmen, zur Håvasshütte zu fahren und mit Dynamit die Lawine auszulösen. Danach fährt er den Scooter zurück, wirft Tony, tot oder lebendig, in den Abgrund und schiebt den Scooter hinterher. Sollte die Leiche wider Erwarten jemals gefunden werden, würde das Ganze wie ein Unfall aussehen. Vielleicht würde man vermuten, dass sich jemand Brandverletzungen zugezogen hatte und auf dem Weg zur rettenden Hilfe in einen Abgrund gefahren war.«
    Die Landschaft öffnete sich. Sie fuhren an einem See vorbei, auf dessen Oberfläche sich das Mondlicht spiegelte.
    »Ole triumphiert, er hat gewonnen, hat alle getäuscht, alle an der Nase herumgeführt. Und er hat Spaß an diesem Spiel gefunden, an dem Gefühl, Regie zu führen, alle in der Hand zu haben. Und deshalb entschließt sich der Meister, der acht Einzelschicksale zu einem großen Drama verknüpft hat, uns einen Abschiedsgruß zu hinterlassen, mir.«
    Ein paar Häuser, eine Tankstelle, ein Gemischtwarenladen. An einem Kreisverkehr bogen sie links ab.
    »Ole hat Tonys linken Mittelfinger abgetrennt. Und er hat Leikes Handy. Damit ruft er mich aus dem Zentrum von Ustaoset an. Meine Nummer ist nirgends registriert, aber Tony Leike hatte sie in seinem Handy gespeichert. Ole hinterlässt keine Nachricht, vielleicht war es nur eine spontane Idee.«
    »Oder er wollte dich verwirren«, sagte Bjørn Holm.
    »Vielleicht wollte er uns auch seine Überlegenheit demonstrieren«, sagte Harry. »So wie er uns im reinsten Sinne des Wortes den Finger gezeigt hat, als er Tonys Mittelfinger im Präsidium vor meine Tür legte, direkt vor unserer Nase. Denn das kann er. Er ist der Kavalier, hat Schimpf und Schande hinter sich gelassen und zurückgeschlagen, sich an allen gerächt, die ihn verhöhnt haben, inklusive ihrer Stellvertreter. Den Zeugen. Den Huren. Und dem Fotzendieb. Dann geschieht wieder etwas Unvorhergesehenes. Das Hauptquartier in der Kadokfabrik wird entdeckt. Die Polizei hat zwar noch immer keine Spur, die direkt zu Ole führt, aber sie rücken ihm langsam gefährlich nah auf die Pelle. Deshalb geht Ole zu seinem Chef und bittet um Ferien und Überstundenausgleich. Er will mal richtig weit weg. Der Flieger ist schon gebucht. Für übermorgen.«
    »Um Viertel nach neun über Stockholm nach Bangkok«, sagte Bjørn Holm.
    »Viele Details dieser Erzählung sind nur Vermutungen, Letzteres aber nicht. Wir nähern uns. Hier ist es.«
    Bjørn fuhr von der Straße auf den Kiesplatz vor dem großen, roten Holzgebäude. Blieb stehen und machte den Motor aus.
    In keinem der Fenster brannte Licht, aber an den Wänden des Erdgeschosses hingen Plakate, die darauf hinwiesen, dass dieses Haus einmal einen Landhandel beherbergt hatte. Am anderen Ende des Platzes, etwa fünfzig Meter vor ihnen unter einer Straßenlaterne, stand ein Jeep Cherokee.
    Es war still. Die Geräusche, die Zeit, der Wind, alles stand still. Aus dem Fensterspalt der Fahrertür des Cherokee ringelte sich Zigarettenrauch ins Licht.
    »Der Ort, an dem alles anfing«, sagte Harry. »Die Disco.«
    »Wer ist das?«, fragte Altman und nickte in Richtung

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