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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Krongli?«
    Er kannte die Antwort bereits, bevor er sie vernahm. Der Abend und die Nacht waren mondhell gewesen, selbst ohne Fahrtlicht wäre es kaum möglich gewesen, den Abgrund zu übersehen. Schon gar nicht für einen Ortskundigen, der so langsam fuhr, dass er bei einer Falltiefe von siebzig Metern nur drei Meter von der Felswand entfernt landete.
    »Vergessen Sie es, Krongli. Erzählen Sie mir mehr über die Verbrennungen.«
    Einen Augenblick herrschte absolute Stille am anderen Ende, erst dann folgte die Antwort.
    »Arme und Rücken sind verbrannt. Die Haut an den Armen war aufgeplatzt, man kann direkt das rohe Fleisch sehen. Teile des Rückens sind verkohlt. Und zwischen den Schulterblättern ist ein Motiv eingebrannt …«
    Harry schloss die Augen. Dachte an das Muster auf dem Ofen in der Hütte. Die qualmenden Fleischkrümel.
    »… sieht aus wie ein Hirsch. Sonst noch was, Hole? Wir müssen mit der Bergung anfangen …«
    »Nein, nichts weiter, Krongli. Danke.«
    Harry legte auf. Saß eine Weile in Gedanken versunken da. Nicht Tony Leike. Das änderte etwas an den Details, nicht aber am großen Ganzen. Utmo war ein Opfer von Altmans Rachefeldzug geworden, vermutlich war er ihm irgendwie in die Quere gekommen. Sie hatten Tony Leikes Finger, aber wo war der Rest der Leiche? Falls er überhaupt tot war?, schoss es Harry durch den Kopf. Theoretisch konnte Tony Leike irgendwo eingesperrt sein. An einem Ort, den nur Sigurd Altman kannte.
    Harry wählte Skais Nummer.
    »Er weigert sich, mit irgendwem zu reden«, sagte Skai mit vollem Mund. »Außer mit seinem Anwalt.«
    »Der wer ist?«
    »Ein Johan Krohn. Kennen Sie den Mann? Sieht aus wie ein Junge und …«
    »Johan Krohn kenne ich gut.«
    Harry rief in Krohns Büro an und wurde gleich zu ihm durchgestellt. Krohn klang halb entgegenkommend, halb abweisend, eben wie ein professioneller Strafverteidiger zu klingen hat, wenn die Anklagebehörde sich meldet. Er hörte Harry zu. Dann antwortete er.
    »Leider. Sofern Sie keine konkreteren Beweise haben, dass mein Klient eine Person gefangen hält oder sie durch sein Schweigen in anderer Weise einer Gefahr aussetzt, kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht gestatten, mit Sigurd Altman zu spre chen, Hole. Es sind schwerwiegende Beschuldigungen, die Sie gegen ihn vorbringen, und ich muss Ihnen sicher nicht erklären, dass es mein Job ist, nach bestem Vermögen seine Interessen zu wahren.«
    »Stimmt«, sagte Harry. »Das wäre nicht nötig gewesen.«
    Sie legten auf.
    Harry schaute aus dem Bürofenster in Richtung Zentrum. Der Stuhl war gut, kein Zweifel. Sein Blick suchte das bekannte Glashaus in Grønland.
    Dann wählte er eine neue Nummer.
    Katrine Bratt war quietschvergnügt und überschlug sich fast.
    »Ich werde in ein paar Tagen entlassen«, sagte sie.
    »Ich dachte, du wärst freiwillig dort.«
    »Schon, aber deswegen muss ich trotzdem formell entlassen werden. Ich freu mich so. Sie haben mir einen Bürojob im Polizeidienst angeboten, wenn meine Krankschreibung ausgelaufen ist.«
    »Gut.«
    »Wolltest du was Spezielles?«
    Harry erklärte es ihr.
    »Du musst also versuchen, Tony Leike ohne Altmans Hilfe zu finden?«, sagte Katrine.
    »Jepp.«
    »Irgendein Tipp, wo ich anfangen soll?«
    »Nur einen. Unmittelbar nach Tonys Verschwinden haben wir überprüft, dass er für keine Übernachtung in und um Ustaoset registriert war. Ich hab das für die letzten Jahre abgeklopft, und das Problem ist, dass er so gut wie nie im Bereich Ustaoset übernachtet hat, außer in ein paar Touristenhütten. Was merkwürdig ist, weil er ziemlich viel Zeit dort oben zu verbringen scheint.«
    »Vielleicht ist er ja ein Schmarotzer, der sich in den Hütten nicht einträgt, um nicht bezahlen zu müssen.«
    »Das passt nicht zu ihm«, sagte Harry. »Ich frage mich, ob Tony dort draußen nicht doch eine Hütte hat, von der niemand etwas weiß.«
    »Okay. War das alles?«
    »Ja. Oder nein, versuch auch noch herauszufinden, was Odd Utmo in den letzten Tagen getrieben hat.«
    »Bist du immer noch Single, Harry?«
    »Was ist denn das für eine Frage?«
    »Du hörst dich irgendwie weniger Single an.«
    »Tu ich das?«
    »Jepp. Aber es steht dir.«
    »Tut es das?«
    »Wenn du so fragst: nein.«
     
    Aslak Krongli streckte den steifen Rücken und ließ den Blick über die Steinhalde schweifen.
    Einer der Männer vom Suchtrupp hatte etwas gerufen und wiederholte es gleich noch einmal. Er klang aufgeregt: »Hierher!«
    Aslak fluchte leise. Die

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