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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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dass Sie uns begleiten und uns zeigen, wo seine Hütte ist«, sagte Harry.
    »Welche Hütte?«
    »Ich hab gesehen, dass Sie den Kaffee abbestellt haben, Rath, und das ist in Ordnung, auch meine Zeit ist kostbar. Ich weiß, dass Ihr Fall bei der Behörde für Wirtschaftskriminalität eingestellt wurde, aber es würde mich nur einen Anruf kosten, Ihnen die Ermittler wieder auf den Hals zu hetzen. Ich will damit nicht sagen, dass sie dieses Mal etwas finden würden, aber ich garantiere Ihnen, dass die Unterlagen, die Sie denen werden vorlegen müssen …«
    Rath schloss die Augen. »Oh, mein Gott …«
    »… Sie länger beschäftigen werden als der Bau der Hütte für Ihren Kollegen, Freund und Schicksalsbruder Tony Leike. Was meinen Sie?«
    Jens Raths einziges Talent bestand darin, schneller und sicherer als die meisten anderen abschätzen zu können, was für ihn von Vorteil war. Und das Rechenstück, das ihm soeben vorgelegt worden war, konnte er schon nach einer Sekunde beurteilen.
    »In Ordnung.«
    »Wir brechen morgen früh um neun Uhr auf.«
    »Wie …«
    »Auf die gleiche Weise, wie Sie das Material dort hinaufgeschafft haben. Mit dem Helikopter.« Harry erhob sich.
    »Nur eine Frage noch. Tony hat sehr genau darauf geachtet, dass absolut niemand von der Hütte erfuhr. Ich glaube, nicht einmal Lene, seine Verlobte, hat davon gewusst. Wie also …«
    »Eine Quittung über Baumaterial aus Geilo und ein Foto von Ihnen dreien in Arbeitskleidung mit einem Helikopter im Hintergrund.«
    Jens Rath nickte kurz. »Klar. Das Foto.«
    »Wer hat es eigentlich aufgenommen?«
    »Der Pilot. Vor dem Abflug in Geilo. Es war Andreas’ Idee, es mit der Pressemitteilung zu verschicken, als wir unser Gemeinschaftsbüro eröffneten. Er fand ein Bild von uns in Arbeits klamotten witziger als eines mit Anzug und Krawatte. Und auch Tony fand die Idee gut. Denn es sah so aus, als gehöre der Helikopter uns. Wie auch immer, die Finanzpresse nutzt das Bild immer wieder.«
    »Wieso haben Sie und Andreas nichts gesagt, als Tony Leike vermisst gemeldet wurde?«
    Jens Rath zuckte mit den Schultern. »Verstehen Sie das nicht falsch. Uns liegt genauso viel wie Ihnen daran, dass Tony so schnell wie möglich wieder auftaucht. Wir leiern gerade ein Projekt im Kongo an, das uns durch die Lappen geht, wenn Tony nicht bald mit zehn Millionen frischen Kronen an Land kommt. Aber eines weiß ich: Wenn Tony abtaucht, dann immer, weil er es will. Er kommt schon durch. Vergessen Sie nicht, er war Söldner. Ich wette, dass er in diesem Augenblick irgendwo mit einem Drink, einer exotischen Raubkatze im Arm und einem Grinsen im Gesicht dasitzt, weil er sich alles so schön ausgedacht hat.«
    »Hm«, sagte Harry. »Dann hat ihm wohl die Raubkatze den Mittelfinger abgebissen. Fornebu, morgen, um neun Uhr.«
    Jens Rath blieb stehen und sah dem Polizisten nach. Er fragte sich, wieso er nicht bloß schwitzte, sondern schier zerfloss.
     
    Als Harry ins Reichshospital zurückkehrte, saß Søs noch immer da. Sie blätterte in einer Zeitschrift und aß einen Apfel. Er sah sich den Schwarm der Geier an. Es waren weitere Blumen hinzugekommen.
    »Du siehst erschöpft aus, Harry«, sagte sie. »Du solltest nach Hause gehen.«
    Harry lachte leise. »Nein, geh du. Du hast lange genug allein hier gesessen.«
    »Ich war nicht allein.« Sie lächelte ihn verschmitzt an. »Rate mal, wer hier war.«
    Harry seufzte. »Nimm’s mir nicht übel, Søs, aber ich rate in den letzten Tagen zu viel herum.«
    »Øystein!«
    »Øystein Eikeland?«
    »Ja! Er hatte eine Tafel Milchschokolade dabei. Nicht für Papa, sondern für mich. Tut mir leid, aber die ist schon alle.« Sie lachte so herzlich, dass sie die Augen zukneifen musste.
    Als sie aufstand, um eine Runde zu drehen, nahm Harry das Handy heraus. Kaja hatte zweimal versucht, ihn zu erreichen. Er schob den Stuhl an die Wand und lehnte den Kopf zurück.

KAPITEL 77
     
    Abdruck
     
    Z ehn Minuten nach zehn Uhr morgens landete der Helikopter auf einem Höhenzug westlich des Hallingskarvet-Massivs. Um elf Uhr war die Hütte gefunden.
    Sie passte sich so gut dem Gelände an, dass die Männer sie ohne Jens Raths Hilfe nicht gefunden hätten. Der steinerne Bau klebte hoch oben an der windgeschützten Ostseite des Gebirges, oberhalb der Lawinenzone. Die Steine, die für das Mauerwerk verwendet worden waren, stammten aus der Umgebung und waren mit gewaltigen Felsbrocken vermauert worden, die die Rück- und Seitenwände der Hütte bildeten.

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