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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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jemand meldet, erfahren wir vielleicht, wer sonst noch dort war und was eigentlich geschehen ist«, gab Kaja zu bedenken.
    »Es geht nicht«, wiederholte Hagen und erhob sich. »Bei den Ermittlungen zu einer Vermisstenangelegenheit haben wir Verbindungen zu einem Mordfall aufgedeckt, der in den Verantwortungsbereich des Kriminalamts fällt. Wir müssen die Information an sie weitergeben und ihnen alles Weitere überlassen. Ich rufe Bellman an.«
    »Warte!«, sagte Harry. »Soll er die Lorbeeren für unsere Arbeit einstreichen?«
    »Ich bin mir nicht so sicher, ob es Lorbeeren zu verteilen gibt«, sagte Hagen und ging auf die Tür zu. »Und ihr solltet jetzt mit dem Umzug anfangen.«
    »Ist das nicht ein bisschen voreilig?«, fragte Kaja.
    Die beiden anderen sahen sie an.
    »Ich meine, wir haben noch immer eine vermisste Person. Sollten wir nicht versuchen, sie zu finden, ehe wir hier zusammenpacken?«
    »Und wie willst du das bewerkstelligen?«, fragte Hagen.
    »Wie Harry vorhin schon gesagt hat: mit einer Suchaktion.«
    »Verdammt, ihr wisst aber doch gar nicht, wo ihr suchen sollt.«
    »Harry weiß es.«
    Ihre Blicke wanderten zu dem Mann, der gerade mit einer Hand die Kaffeekanne aus der Maschine zog und mit der anderen seinen Becher unter den jauchebraunen Strahl hielt, der aus dem Filter rann.
    »Stimmt das?«, fragte Hagen.
    »Ja, klar«, sagte Harry.
    »Wo?«
    »Du wirst Ärger kriegen«, sagte Harry.
    »Halt die Klappe und rück damit raus«, sagte Hagen, ohne die Widersprüchlichkeit seiner Aufforderung zu bemerken. Seine Gedanken beschäftigten sich viel zu sehr mit der Frage, warum er schon wieder im Begriff war, es zu tun. Was hatte dieser lange, blonde Polizist bloß, dass er es immer wieder schaffte, alle möglichen Leute mit in den Abgrund zu reißen, wenn er fiel?
     
    Olav Hole sah Harry an und musterte die Frau, die mit ihm gekommen war.
    Sie hatte einen Knicks gemacht, als sie ihm die Hand gegeben hatte, und Harry hatte bemerkt, dass seinem Vater das gefallen hatte. Er hatte sich schon öfter darüber beklagt, dass Frauen heutzutage keine Knickse mehr machten.
    »Sie sind also Harrys neue Kollegin«, sagte er. »Benimmt er sich denn auch ordentlich?«
    »Wir organisieren gerade eine Suchaktion«, sagte Harry. »Und dachten uns, dass wir auf dem Weg mal einen kurzen Abstecher zu dir machen könnten, um zu sehen, wie’s dir geht.«
    Sein Vater lächelte matt, zog die Schultern hoch und winkte Harry näher zu sich. Harry beugte sich vor, lauschte und zuckte zurück.
    »Das wird schon«, sagte Harry mit heiserer Stimme und stand auf. »Ich komme heute Abend noch mal vorbei, okay?«
    Draußen auf dem Flur bat Harry Altman um ein kurzes Gespräch, er gab Kaja ein Zeichen, schon mal vorzugehen.
    »Hören Sie, darf ich Sie um einen großen Gefallen bitten?«, sagte er, als Kaja außer Hörweite war. »Mein Vater hat mir eben gesagt, dass er Schmerzen hat. Er würde das Ihnen gegenüber niemals zugeben, weil er befürchtet, dass Sie ihm dann noch mehr schmerzstillende Mittel geben. Wissen Sie, er hat panische Angst davor, abhängig zu werden … von Rauschmitteln. Das liegt in der Familie …«
    »Verstehe«, lispelte der Pfleger. »Das Problem ist, dass ich ständig zwischen den Abteilungen wechsele.«
    »Sehen Sie es als persönlichen Gefallen, um den ich Sie bitte.«
    Altman kniff die Augen hinter den Brillengläsern zusammen und starrte nachdenklich auf einen Punkt zwischen ihm und Harry. »Ich werde sehen, was ich machen kann.«
    »Danke.«
    Während Kaja fuhr, telefonierte Harry mit dem Einsatzleiter der Feuerwehrzentrale in Briskeby.
    »Dein Vater scheint ein guter Mensch zu sein«, sagte Kaja, als Harry aufgelegt hatte.
    Harry dachte nach. »Mama hat ihn gut gemacht«, sagte er. »Solange sie lebte, war er ein guter Mensch. Sie hat das Beste aus ihm herausgeholt.«
    »Hört sich an, als hättest du das selber erlebt«, sagte sie.
    »Was?«
    »Dass jemand dich gut gemacht hat.«
    Harry schaute aus dem Fenster. Nickte.
    »Rakel?«
    »Rakel und Oleg«, sagte Harry.
    »Tut mir leid, ich wollte nicht …«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Als ich ins Dezernat für Gewaltverbrechen gekommen bin, haben alle vom Schneemann gesprochen. Dass er sie fast umge bracht hätte. Und dich. Aber eure Beziehung war schon zu Ende, bevor das alles losging, oder?«
    »Irgendwie schon«, sagte Harry.  
    »Hast du was von ihnen gehört?«  
    Harry schüttelte den Kopf. »Wir müssen versuchen, das hinter uns zu lassen.

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