Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
er gesagt; sie mußten sich eine neue Identität suchen. Aber das Spiel, wie er es gesehen hatte, verlangte zwei Seiten, und sehr bald, in wenigen Jahren, würde nur noch eine vorhanden sein. Sie waren dabei, etwas aus der Hand zu geben, das sie dreihundert Jahre lang oder länger sorgfältig gepflegt hatten, kommentarlos! Parleau setzte sich jäh aufrecht hin. Aller Anschein von Entspannung war verschwunden. Und aus einem Fach im Schreibtisch holte er einen Vocoder heraus und begann, ein paar Gedanken und Anweisungen zu transkribieren, so schnell, wie sie ihm in den Sinn kamen. Ja. Alles hing irgendwie miteinander zusammen, und er würde die Antwort bekommen, und wenn er sie dafür allesamt in Grund und Boden stampfen mußte.
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Im Spiel wird nach einer willkürlichen Festlegung die Gesamtzahl der Operationen, die an jeder Zelle des entsprechenden Gebiets durchgeführt werden, als eine Spielzeit-Einheit betrachtet. Wie wir das erreichen, in einer Reihe, durch Parallelzählung oder durch Erstellung abgestufter Strukturen, ist unwesentlich; es ist dies die Beschränkung, der wir als endliche Wesen unterliegen – in Wirklichkeit aber geschieht es gleichzeitig, augenblicklich, denn das ist die kleinste Einheit, zu der sich die Zeit aufteilen läßt, ein Absolutum … So betrachten wir also in der Spielzeit Bewegung als bewegliche Partikel mit einem unterschiedlichen Grad von Zusammenhalt und Eigenidentität; als Teile unterschiedlicher, wellenförmiger Muster von Präsenz und Abwesenheit; als „unsichtbare Wellen“, die im leeren Raum in einer Zelle schwingen und in den Zielbereichen des sich entwickelnden Musters Reaktionen auslösen. Es gibt keine Bewegung, und es gibt keine Wellen. Punkt. Das ist eine Illusion. Es gibt lediglich die aufeinanderfolgende und wiederkehrende Interaktion zwischen der festgelegten Umgebung und den verbundenen Transitionsregeln und Paradigmen. Es ist notwendig, unsere Wahrnehmung von der Zelleinheit her nach außen zu lenken, um Phänomene einer höheren Ordnung vollständig verstehen zu können und so der Täuschung aus dem Weg zu gehen, die sich leicht einstellen kann, wenn vom Makrokosmos zum Mikrokosmos vorgegangen wird.
Die Spieltexte
Ein Angriff mit bösem Vorsatz war, wenn auch selten genug, zumindest unter bestimmten Voraussetzungen verständlich, und Morlenden konnte sich ebenso wie Fellirian noch deutlich an die Zeit erinnern, die eine Spanne verstrichen war, als die Straßenräuber aus der Maskenfabrik für Aufregung sorgten; auch an verschiedene Fehden zwischen Weben sowie an Vendetten von größerer oder geringerer Bedeutung konnten sie sich erinnern. Besonders die Dreiecksvendetta Khlefen-Termazen-Trithen der letzten Generation wäre da zu nennen, obwohl sie in der Gegenwart in Umfang und Form auf geringfügigere Äußerungen von milder Respektlosigkeit reduziert worden war.
Auf jeden Fall lagen sie, die Derens, zur Zeit mit niemanden in Fehde, und es war offensichtlich, daß Raub nicht das Motiv für den Angriff auf Morlenden war. Welche Absicht auch dahinter stand, er war mit einem Pfeil durchgeführt worden, also auf jeden Fall mit einer Waffe, die nur eingesetzt werden konnte, wenn sie die Hand verließ. Aus diesem Grund, und nach eingehender Prüfung des Pfeils selbst, kamen sie alle zu dem Ergebnis, daß der Angreifer ein Mensch gewesen sein mußte. Das aber erhob mehr Fragen, als es Antworten lieferte, denn wer von den Vorläufern konnte es fertigbringen, sich mitten in der Reservation lautlos durch Wald und Gebüsch zu bewegen und dann spurlos zu verschwinden? Und weiter, was noch wichtiger war, welcher Mensch könnte den Wunsch hegen, Morlenden zu verletzen? Nur eine Handvoll Menschen wußten überhaupt, daß er existierte.
Kaldherman, der exzentrischen Ideen zuneigte, hatte dem Verdacht Ausdruck verliehen, daß der Attentäter zu ihnen gehörte, eine Vorstellung mit äußerst beunruhigenden Implikationen. Diese Position bestärkend, äußerte Morlenden, daß Sanjirmil tatsächlich besorgt darüber gewesen sei, ob er möglicherweise Geheimnisse des Spiels enthüllt habe. Er nannte jedoch nicht alle Gründe dafür, da er es nicht über sich brachte, gegen sie eine Anklage zu erheben, und die Übrigen vermochten keinen Grund dafür zu erkennen, daß ein älterer Spieler sie einstellen und ein anderer sie hindern sollte.
Auch Krisshantem wurde verdächtigt, wenn auch aus keinem anderen Grund als dem seiner verblüffenden Lautlosigkeit in den Wäldern.
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