Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Dazu kam noch sein Status als hifzer, in dem er zu allem in der Lage sein könnte; wenn erst einmal ein Bündel von Traditionen verschwand, wer konnte da sagen, welche anderen noch folgen könnten? Er hatte aber von allen das geringste Motiv und kam dann auch später an, um den Gedanken persönlich aus der Welt zu schaffen, und zwar einen Tag nach Morlenden in der Begleitung eines gewissen Halyandhin, einem der Ältesten der Hulens, der seine Angaben und seinen Aufenthaltsort voll und ganz bestätigte. Und die Frage blieb, wie sie war – ungeklärt. Krisshantem untersuchte die Stelle, von der der Angriff gekommen war, wollte aber nichts darüber sagen, was er dort sah oder ob er überhaupt etwas sah. Als er von Kaldherman dazu bis an die Grenze der Beleidigung bedrängt wurde, gab er widerwillig zu, daß es sich nach seinem Eindruck hier um das Werk eines Menschen mit überlegenen Fähigkeiten als Fährtenleser zu handeln schien, eine Vorstellung, die er als empörend betrachtete. In der Reservation gab es einfach keine Menschen.
So kam es, daß die Abordnung mit großen Befürchtungen von dem Deren- yos aufgebrochen und mit der Mono zum Institut gereist war, um dort mit Direktor Vance zu sprechen: Morlenden, Fellirian und Krisshantem. Sie waren es, denen Vance Anweisungen erteilte. Da waren noch weitere zwei, die Vance nicht zu Gesicht bekam und deren Anweisungen von Fellirian kamen: Kaldherman und Cannialin, die zusammen mit ihnen reisen sollten, dabei aber in diskretem Abstand blieben, als hätten sie mit ihnen nichts zu tun.
Die drei Ler, die mit der Untergrundbahn zur Bezirkszentrale aufbrachen, unterschieden sich beträchtlich von den Menschen, die die Untergrundstation zu dieser Tageszeit benutzten. Es war kurz nach der Mittagsstunde, so daß die Station relativ frei von der Ebbe und Flut der wechselnden Schichten war; trotzdem war der Verkehr recht dicht, zufäl lig die Bahn benutzende Menschen, aus Gründen unterwegs, deren Bedeutung unbekannt war. Von kleinerer Körpergröße und leichter gebaut als die Menschen, waren sie auch an ihrer Kleidung sofort erkennbar; die einfach herabfallenden Überhemden, selbst die dicken für den Winter, unterschieden sich stark von den dick gefalteten, hineingestopften, gebügelten und steifen Stoffen ihrer menschlichen Mitreisenden. Sie hatten ihre Kapuzen abgesetzt; zwei trugen den langen, einzelnen Haarzopf, wie er für den erwachsenen Ler in der Elternphase typisch war, während der dritte den anonymen Pagenschnitt des Heranwachsenden trug. Bei oberflächlicher Betrachtung wirkten sie wie eine Familiengruppe auf einem Ausflug, ein Eindruck, den sie auf Fellirians Vorschlag hin kultivierten, denn je weiter sie sich von der Reservation entfernten, desto weniger Menschen würden sich wirklich an die Webgepflogenheiten der Ler erinnern und würden daher ihre eigenen Bilder auf sie projizieren. Kaldherman und Cannialin hielten Kontakt, aber auch Abstand. Sie schienen nur Provinzler zu sein, die voller Erstaunen fast alles anstarrten, was sie sahen. Zumindest teilweise, für Kaldherman, war das nicht nur gespielt, denn dies war sein erster Ausflug nach draußen. Er war wirklich erstaunt.
In einer Pause, bevor er sich weiterbewegte, stand der Zug in der Station und wartete, gab sanfte mechanische Geräusche von sich, während sich in seiner ganzen Länge Türen öffneten und schlossen, und in der Station selbst bewegten sich Echos auf dem Bahnsteig auf und ab und suchten sich ein stilles Eckchen zwischen den stumpfen Betonfassaden, in denen sie sich aufrollen und sterben konnten. Die Untergrundstation war eine breite Halle von unbestimmbarer Länge – ein rauchiger bläulicher Dunst verschleierte die weit entfernten Enden, wo sich der Tunnel wieder in die Erde senkte. Man konnte spüren, daß die Begrenzungsmauern vorhanden waren, nicht sehr weit entfernt, aber trotzdem vage und schemenhaft; es gab nichts, worauf sich das Auge heften konnte, und die herrschende Düsterkeit, von dürftigen Lampen an der niedrigen Decke beleuchtet, beanspruchte die Kapazität des Auges bis zum äußersten.
Bei der nach oben führenden Treppe stocherte ein Straßenkehrer geistesabwesend mit einem Besen in einem unbedeutenden Haufen Schmutz herum und hustete dabei dann und wann ohne sonderliche Dringlichkeit. Bei dürftig beleuchteten Kiosks an den fleckigen Wänden diskutierten die Fahrgäste offensichtlich die Fahrpreise und die Zusammenstellung der Fahrpläne. Die Fragen waren wie die
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