Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
Morlenden brachte ihr das Handtuch, und sie rieb sich geistesabwesend damit ab. Sie schwankte ein wenig, da sie auf einem Bein balancierte, und Morlenden griff nach ihr, um sie zu stützen.
Sanjirmil lachte, als sie sich ihm zuwandte. „Du solltest dieses schöne, alte Erbstück der Derens, das du da trägst, lieber ausziehen, denn wenn du es anläßt, werde ich es dir ganz bestimmt naß machen.“
Er zog sein Überhemd über den Kopf und legte es beiseite und stand entblößt im Feuerschein und in der nach Harz duftenden Luft, genau wie sie zuvor; sie betrachtete ihn, genau wie er sie zuvor betrachtet hatte. Morlenden empfand durch die Intensität ihrer beider aufwallenden Gefühle eine merkwürdige Zeitverzerrung, als habe sich seine gesamte Vergangenheit oder doch das meiste davon innerhalb dieser Hütte ereignet, mit dem Wasser und der Wanne und Sanjirmils nacktem, drahtigem Körper vor ihm, und als erstrecke sich seine Zukunft nur so weit wie die nächsten wenigen Augenblicke. Dieses Gefühl einer Verzerrung war nicht statisch, unveränderlich, sondern ein wachsender, dynamischer Prozeß, der jetzt eben geschah und immer noch seine Alchimie auf seine Empfindung einwirken ließ; es herrschte eine gespannte Stille, in der er seinen eigenen Herzschlag hören konnte. Er griff nach vorn, mit ausgestreckten Handflächen, und streichelte sanft Sanjirmils Schultern, folgte der eckigen Linie ihres Schlüsselbeins bis zu ihrem Hals, folgte mit den Augen dem sanften Schimmer ihrer Haut im Dämmerlicht. Sie trat schwankend aus der Wanne und zu ihm hin und berührte ihn mit allem auf einmal, mit Lippen, Armen, Körper. Morlenden fühlte den vom Bade heißen, starken, vor Leben sprühenden Körper, der ihn so berührte, die weiche Haut und spürte einen Wahnsinn in seinem Herzen, ein verheerendes Feuer, die Zeit fiel in eine dimensionslose Gegenwart zusammen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit vorwärts bewegte. Der salzige Geschmack ihres Mundes, der kindliche Moschusduft ihres so nahen Leibes. Sie bewegte ihren Körper, preßte ihn fest gegen ihn. Ihre Beine bewegten sich.
Ihr Mund bewegte sich bis zu seinem Ohr, und sie sagte, fast so leise, daß er es unter dem Brausen in seinen Ohren nicht hörte: „Jetzt.“
„Ja, Sanjir, jetzt“, sagte er, während er sein Gesicht in ihrem kräftigen, dunklen, wirren Haar verbarg und das Mädchen halb zu dem Schlafsack hintrug, halb auf die Rampe hinauffiel, während sie sich nicht einmal so weit voneinander lösten, um die Decken zu holen, während sie das taten, was eins macht, wo vorher zwei waren. Das Feuer ging aus, und die Luft in der kleinen Hütte war kühl geworden, bevor sie es merkten …
Und einige Zeit später, als das Feuer nur noch ein Häufchen glühender Kohlen war, schlüpften sie unter die Decken, der Wärme wegen, Seite an Seite und doch immer noch miteinander beschäftigt, ihre Nasen berührten sich. Morlenden fühlte sich endlich vollständig, vollkommen, am Ziel; aber in dieser Vollendung und diesem Ende spürte er auch Anfange. Viele Anfänge. Vor allem spürte er, daß er und Sanjirmil nicht miteinander fertig waren und daß sie es nicht sein würden, wenn ihre Zeit im Jetzt abgelaufen wäre. Sie atmete tief, gleichmäßig, scheinbar entspannt neben ihm, und doch wußte er, daß sie nicht schlief.
„Wahrhaftig, du bist für mich jetzt Sanjir“, sagte er.
Sie antwortete darauf: „Ich wünschte, daß wir Ajimi und Olede wären, wenn du es auch willst. Wir sind mehr als ein zufällig auf dem Wege kopulierendes Liebespaar.“
Morlenden lag ruhig da und fühlte, wie sich ihre Schenkel aneinander rieben, eine ferne Wärme, ein Knistern in der ruhigen Dunkelheit, einen harten Fuß. Er prüfte in Gedanken, wie sich der Körper-Name des Mädchens anfühlte, versetzte sich dort hinein und fragte sich, ob es wirklich soweit gekommen war. Er konnte es nicht sagen; er hatte gleichzeitig das Gefühl, daß sie nicht bis dahin gekommen waren und daß sie weit darüber hinausgekommen waren. Ja, das war in diesem Falle das große Geheimnis – sie waren darüber hinausgegangen und befanden sich in einem Bereich der Lust, in dem es keine Wegweiser und keine Orientierungspunkte gab außer den Monumenten, die sie errichten wollten.
„Ajimi …“ träumte er laut vor sich hin, „und doch kennen wir uns erst seit Stunden und werden von Strömungen in der Zeit mitgerissen, die nicht zu leugnen sind.“
„Und werden auch davon angezogen“, fügte Sanjirmil
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