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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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du hörst das Tappen eiliger Kinderfüße, einen Knall und einen scheppernden Laut, wenn die alte, verbeulte Fischklopsbüchse von einem Jungenschuh getroffen wurde und in einem Bogen über Haselgebüsch und Erlengestrüpp angeflogen kommt. Und triumphierendes Geheul, weil die Kinderschar, wenn alles gefunden ist, auseinanderstiebt, um sich aufs neue zu verstecken. Und dann kommt ein resignierter und atemloser kleiner Junge angekrochen, um die Büchse zu holen, die vielleicht direkt vor deinen Füßen gelandet ist, ohne sich auch nur darum zu kümmern, daß da einer steht, zufälliger Zuschauer eines Spiels, das sicher so alt ist wie die Kindheit selbst – jedenfalls so alt wie Fischklopsbüchsen.
    Aber abends geht es dort um anderes. Gehört man zu den eher Neugierigen oder ist man ein Jugendlicher mit regen Pubertätsträumen und liegt da ein schwarzes Herrenfahrrad am Straßenrand, dann ist es an der Zeit, sich anzuschleichen.
    Auf lautlosen Gummisohlen kommen sie näher, ruhig zwei oder drei Jungens, Zehn- bis Zwölfjährige, und suchen eines der bekannten Versteckeauf, von wo aus sie die volle Übersicht auf die kleine Hügelspitze haben, wo sonst die Blechbüchse zu stehen pflegt, günstig für einen Tritt. Sie liegen mucksmäuschenstill und starren auf das Paar, das eng zusammengerückt im romantischen Mondschein sitzt. Wenn man Glück hat, das Mädchen willig und der Mond voll genug ist, sieht man nicht nur Küsse und Streicheln und Umarmungen, sondern vielleicht sogar ein bißchen vorsichtiges Fummeln an ein, zwei Blusenknöpfen.
    Dann heißt es, das Kichern unter Kontrolle zu halten, damit man nicht auf frischer Tat ertappt wird von dem romantischen früheren Spielkamerad, der aus unzähligen Kindersommern die Verstecke genausogut kennt wie man selbst. Ja, der sogar selbst auch im Gebüsch gelegen und vor nur wenigen Sommern mit Stielaugen Liebespaare beobachtet hat. Jetzt ist er älter und erfahrener und schickt lästige Kinder unsanft und kopfüber den gleichen Weg durch Wacholder und Haselgebüsch, den er selbst früher nehmen mußte, in einer nun vergessenen Vergangenheit.
    Und die Jungen stieben lachend auseinander, randvoll mit den sensationellen Neuigkeiten, die sie einem ausgewählten Kreis am Tag drauf in einer Ecke des Schulhofes präsentieren: »Wißt ihr, wen wir gestern gesehen haben? Hans und Inger! Er griff ihr an die Brust! Und sie haben sich geküßt!«
    Aber ein kleiner Achjähriger, der versehentlich zurückgeblieben ist und sich auf der Suche nach einem verlorengegangenen Schlagball in diesen geheimnisvollen Kreis verirrt hat, bleibt nachdenklich am Rand des Kreises stehen, den Ball in Händen. An die Brust? Wofür soll das gut sein? wundert er sich und läßt den Blick gedankenverloren über die Hügel hinter Jakobshaugen gleiten, ohne die geringste Ahnung, was ihn in kommenden Sommern erwartet – schöne Kinderzeit!
    Aber wir wollten ja nach Rønnigen. Wir sollten uns nicht verplaudern, denn ich habe dir so schrecklich viel zu erzählen. Du siehst mich an mit Augen, die so ganz und gar unergründlich sind, tiefblau und blank, und die mir den Eindruck geben, daß keiner so gut zuhört wie du.
    Ab und an lächelst du etwas schräg über meine Geschichten, aber ich bin mir nicht sicher, ob du auf das hörst, was ich sage, oder ob du einfach nur gerne meiner Stimme lauschst. Manchmal gähnst du tief und schläfst ein, während ich mitten in einem Satz bin, aber ich sehe dir das gerne nach, ich weiß ja, wie müde du bist.
    Dennoch höre ich nicht auf, zu dir zu sprechen, wie ich es nun schon seit einigen Wochen tue. Du spürst, daß mir das Reden guttut, fast als ob es den Verlust ein wenig lindert, in dem Maße, wie ein solcher Verlust sich lindern läßt.
    Jetzt gleitet der Mond leise über den Hügel hinterJakobs Scheune. Er ist nur ein Schatten seiner selbst, jetzt wo die Nächte so hell sind. Und auf den Wiesen liegt der Nebel wie ein schimmernder Brautschleier und erinnert mich daran, daß ich um diese Zeit Braut sein sollte. Es fühlt sich an, als wäre das in einem anderen Leben gewesen.
    Noch schläfst du gern viele Stunden lang, aber ich höre nicht auf, zu dir zu sprechen. Ich werde dir von allen Kindern auf Rønnigen erzählen, wo Inger zu den ältesten und Hallvard und Annegret zu den jüngsten zählen. Nach und nach werden sie dir alle vertraut sein, auch wenn es so viele sind, daß du sie dann und wann nicht auseinanderhalten können wirst. Wir hatten am meisten mit

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