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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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Milda und Sverre und allen Kindern auf den Hofweg einbiegt. Nils-Jan durfte die Eier aus den Nestern sammeln und sie vorsichtig in den Korb legen, den Mathilde am Arm trägt. Allmählich hat er sich mit Mathildes Hennen angefreundet, und jetzt getraut er sich auch, vorsichtig eine Hand unter ein Huhn auf dem Nest zu stecken und das warme, gerade gelegte Ei, auf dem es liegt, herauszunehmen.
    Aber vor dem Hahn hat er Angst. Der kannnämlich ziemlich unfreundlich werden, und er scheut sich nicht, nach einem nackten kleinen Bubenbein zu picken, wenn ihm danach ist. Während sie im Hühnerstall sind und Eier einsammeln, hat Mathilde ihn jetzt ausgeschlossen. Er spaziert draußen auf dem Hühnerhof herum und kräht, gekränkt über die Verbannung.
    Nils-Jan nimmt geschickt die Eier auf und legt sie vorsichtig zu den anderen in den Korb, so daß keines zerbricht. Er hat auch gelernt, Mathilde beim Reinigen der Eier zu helfen. Dann sitzen sie zusammen am Küchentisch und wischen jedes Ei mit einem feuchten Tuch ab, bevor sie es in die rechteckigen Eierkartons sortieren. Mathilde verkauft den Leuten im Ort Eier, das Eiergeld versteckt sie in einem Kästchen im Eckschrank in ihrer Kammer. Manchmal ist es praktisch, ein bißchen Geld extra zu haben.
    Die beiden reden nicht so viel, wenn sie zusammen sind. Mathilde ist wortkarg wie üblich, aber wenn der kleine Junge in ihrer Nähe ist, strahlt sie eine Wärme aus wie sonst nie. Er merkt das intuitiv und spürt, daß auch er gern mit ihr zusammen ist. Ihre schweigsame, etwas mürrische Art gibt ihm ebensoviel Geborgenheit, und er fühlt sich ebenso wohlgelitten wie bei allen Zärtlichkeiten Ragnhilds.
    Aber an diesem Tag ist Mathilde heiterer und lebhafter, als Nils-Jan sie jemals erlebt hat. Mitgeheimnisvoller Miene hat sie ihn mit sich in den Wagenschuppen gezogen – vor Erwartung hat sie hektische rote Flecken auf den Wangen. Da ist etwas, das sie ihm unbedingt zeigen möchte.
    Lange hat sie eines ihrer Hühner vermißt und argwöhnte, es könnte sich irgendwo versteckt haben und brüten. Nils-Jan und sie haben überall gesucht, ohne das Versteck zu finden, aber an diesem Vormittag hat sie einen Verdacht, wo es sein könnte. Die Geheimniskrämerei macht Nils-Jan fast bange. Er hält Mathildes Hand ganz fest, als sie ihn mit sich zieht in das Halbdunkel des Wagenschuppens.
    Diese warme und zutrauliche kleine Bubenhand! Freude durchströmt Mathilde, eine sonderbare und schmerzliche Freude, die zwischen Lachen und Weinen angesiedelt ist. Sie steht in dem dunklen Raum, wo verschiedene Fuhrwerke, zum Teil richtig alte, langsam hervortreten, nachdem sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat. Und plötzlich wird sie von einer ungestümen Angst überwältigt, die ihr Herzklopfen verursacht, Angst, dieses Kind zu verlieren, das in wenigen Monaten ihr Leben so verändert und ihm einen Sinn gegeben hat, von dem sie glaubte, er würde ihr nie zuteil.
    Sie spürt ihren eigenen ängstlichen Puls in der Hand klopfen, an die sich die kleine Bubenfaust klammert, und es fehlt nicht viel, und sie fällt aufdie Knie und schlingt die Arme um ihn. – Mathilde, die niemals ein Kind angefaßt hat!
    Der Junge steht auch ganz still und lauscht angestrengt in den Raum hinein. Und dann hören sie alle beide das leise, besondere Glucken, das Hühner nur von sich geben, wenn sie Küken haben. Sie finden das Nest auf dem Sitz der alten Kalesche. Dort liegt die Henne mit acht hellgelben Federbällchen, die Nils-Jan und Mathilde später auf den Hof tragen. Sie werden zusammen mit der gluckenden Mutter in einen kleinen Käfig aus Drahtgeflecht gesetzt, der wie ein Zelt geformt ist.
    Nils-Jan freut sich dermaßen über die kleinen Küken, daß Mathilde nun ganz und gar schmilzt und sich von seiner Freude mit einer Begeisterung mitreißen läßt, die ihr überhaupt nicht ähnlich ist. Für eine Weile verliert sie die reservierte Haltung und zeigt dem Jungen eine Wärme, von der niemand etwas ahnte, vielleicht nicht einmal sie selbst.
    Ja, das ist so auffällig, daß Milda stutzt, als sie Mathilde und Nils-Jan aus dem Hühnerstall kommen und Hand in Hand in kleinen Schritten über den Hof laufen sieht, Mathilde mit dem Eierkorb am Arm. Sie beugen sich über die Henne und die Küken, als das Pferd auf den Hofplatz einbiegt.
    Die Kinderschar springt vom Heuwagen und rennt zu den beiden am Drahtkäfig, eifrig und neugierig wie neugeborene Kälber.
    Da sieht Milda, wie Mathilde den Jungen mit einer

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