Lerchenherzen
lassen.
Jetzt sind die Kinder aus dem Waschhaus geschickt worden, wo, wie den ganzen Sommer hindurch üblich, gekocht wird und wo alle Mahlzeiten eingenommen werden. Einige von ihnen lärmenüber den Köpfen von Milda und Sverre oben auf dem leeren Speicher, Nils-Jan und Solfrid sind auch dabei, sie kamen durch die taunassen Wiesen gerannt, um »Mildakuchen« mit Zucker drauf zu bekommen.
Milda und Sverre lassen die Kinder gewähren, denn diese friedliche Zeit am Sonntagmorgen nach dem Frühstück, zu dem das bessere Geschirr gehört und die bestickte Tischdecke, die über Eck auf dem karierten Wachstuch liegt, ist ihnen ausgesprochen wichtig. Und so viel kann da oben doch wohl nicht passieren?
Und ob. Nicht einmal Milda und Sverre haben wirklich einen Überblick über die Tatkraft und den Erfindungsreichtum dieser Kinder, besonders Hallvards. Milda war wie immer zu dem alten Herd, der mit Holz befeuert wird, gegangen, um den Kaffeekessel zu holen. Sie hat ihrem Mann einen Schluck eingeschenkt, der hat ihr für einen kurzen Moment den Arm um die Taille gelegt, ihr mit der groben, abgearbeiteten Hand über den beleibten, geblümten Sonntagskleid-Rücken gestreichelt und geflüstert: »Uns geht es doch gut, Milda, nicht wahr?« Das ist vermutlich ihre Art eines raffinierten Vorspiels, denn die nächste Mittagsruhe ist kurz genug, und man weiß nie, wann ein heftig weinendes Kind an die Tür kommt.
Und Milda, die so ein einzigartiges Vermögen hat, die Verkaufsattacken ihres Mannes zu verdrängen,sobald sie vorüber sind, streicht ihm über die schütteren Haarsträhnen, die sich noch an seinen Schädel klammern, und antwortet mit zufriedenem Seufzen: »Ach ja, Sverre, uns geht es gut. Die Kinder sind gesund …«
Und ob die Kinder gesund sind! Die haben sich den Weidenkorb hervorgeholt, mit dem der Hühnermist hinausbefördert worden ist, und haben eine begeisterte Solfrid und einen eher ängstlichen und vorsichtig protestierenden Nils-Jan hineingesetzt. Einer der hellen Köpfe in der Kinderschar – bestimmt Kåre, denn der hat immer so kreative Lösungen für alles Praktische – hat einen Flaschenzug zurechtgebastelt und den größten Teil des gestrigen Tages damit zugebracht, alten Hühnermist aus dem Fenster zu hieven, hinunter zu einem Bruder, der mit der Schubkarre wartete und die Ladung zu dem Misthaufen hinter der Scheune brachte.
Jetzt gehen Sol und Nils-Jan den gleichen Weg. Nein, nicht zum Misthaufen, die Tour soll unten auf dem Hof enden, aber der alte Holzkorb, in den zu diesem Zweck ein Sack gelegt worden ist, wird wieder hochgezogen. Genügend motivierte Kleine warten unruhig, daß sie an der Reihe sind:
»Danach komm' ich, Hallvard!«
»Nein ich, ich bin zuerst dran!«
»Drängle nicht, Blödmann!«
»Ich drängle doch gar nicht, dumme Kuh!«
Es wird ordentlich geschubst und geschimpft, ehe sich die Schlange hinter dem tatkräftigen Spielleiter geordnet hat. Er ist den ganzen Tag gestern dem großen Bruder neugierig zur Hand gegangen, hat Hühnermist geschaufelt und auf den Weg gebracht, und nun juckt es ihn in den Fingern, mit Flaschenzug und Seil zu hantieren. Jetzt bietet sich eine Gelegenheit.
Mit Hühnermist umzugehen, ist eine Sache, mit zwei erschrockenen Kindern eine ganz andere. Hallvard bekommt das bald zu spüren. Der Korb setzt sich heftig in Bewegung, während die zwei, die darin sitzen, seinen Aktionsradius nicht unbedingt verringern, indem sie sich hysterisch aneinanderklammern.
Und in demselben Augenblick, in dem Milda, nachdem sie den Kaffeekessel wieder auf den Ofen gesetzt hat, das sonntäglich gestimmte Hinterteil auf den blau gestrichenen Hocker plaziert und mit zufriedenem Seufzen nach der mit Rosen bemalten Kaffeetasse greift, saust der Korb durchs Küchenfenster, so daß Glasscherben, Hühnermist und Holzsplitter vom Fensterrahmen wie eine Wolke über Butterteller und Zuckerdose stieben.
Vier entgeisterte Gesichter, mit kugelrunden Augen und offenen Mündern, unisono ein Schrei in vier verschiedenen Tonhöhen, und dann saust der Korb weiter, glücklicherweise gebremst durch die Stippvisite im feiertäglichen Frieden der Kücheund durch ihn, der verzweifelt am Haltegriff oben auf dem Speicher festhält.
Die Fahrt endet wie geplant unter dem Fenster auf dem Hof, wo die überraschende Ankunft in der Hühnerschar allgemeine Bestürzung weckt und vermutlich den Hahn wünschen läßt, er wäre auf Lund, wo unter den großen Ahornbäumen auf dem Hofplatz friedlichere
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