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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Monstrum aus der Rasse der Dienstboten.
    »Wieviel verlangen Sie monatlich?« fragte Gillenormand.
    »Dreißig Franken.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Olympia.«
    »Du kriegst fünfzig Franken, aber du heißt Nicolette.«
Zwei sind noch kein Paar
    Gillenormands zwei Töchter waren in einem Abstand von zehn Jahren nacheinander geboren. In ihrer Jugend waren sie einander wenig ähnlich gewesen, schienen sowohl dem Charakter als dem Aussehen nach kaum Schwestern. Die Jüngere war ein liebenswürdiges Geschöpf, allem Lichten zugeneigt, schwärmerisch vernarrt in Blumen, Pferde und Musik; immer schwebte sie in höheren Regionen, war enthusiastisch, betete schon als Kind die Idealgestalt irgendeines Helden an. Auch die Ältere hatte ihre Schimäre. Das Azur ihres Himmels war ein Grossist, irgendein reicher Munitionslieferant, ein blöder, aber verschwenderischer Mensch; oder ein Präfekt. Frau Präfekt zu sein, hätte ihr auch gefallen.
    So hatten beide Schwestern schon in ihrer Jugend ihre verschiedenen Ideale. Die eine strebte ihrem auf Engelsfittichen entgegen, die andere auf den Flügeln einer Gans.
    Aber hier auf Erden findet kein Ehrgeiz restlose Befriedigung. Das Paradies ist nun einmal keine irdische Angelegenheit, und gar in unseren Zeiten! Die Jüngere hatte den Mann ihrer Träume geheiratet, aber sie starb bald. Die Ältere bekam keinen Mann.
    Zu der Zeit, da sie in unsere Geschichte eintrat, war sie bereits eine etwas bejahrte Tugend, eine ungenießbare, prüde Person mitder spitzesten Nase und dem stumpfsten Verstand von der Welt. Ein charakteristisches Detail: außerhalb der engsten Familie wußte niemand ihren Vornamen. Sie ließ sich nur »das ältere Fräulein Gillenormand« nennen.
    Was den cant anging, konnte sie es mit jeder Miß aufnehmen. Sie war das Schamgefühl in Person. Die entsetzlichste Erinnerung ihres Lebens war, daß ein Mann einmal ihr Strumpfband gesehen hatte.
    Das Alter hatte diese erbitterte Schamhaftigkeit noch gesteigert. Ihr Brusttuch war nie dunkel genug und reichte nie hoch genug. Stecknadeln brachte sie überall an, wo kein Mensch hinsehen wollte. Es ist eigentümlich für die Prüderie, daß sie überall Schildwachen aufstellt, wenn die Festung auch gänzlich unbedroht ist.
    Erkläre, wer kann, daß sie sich ohne Mißfallen von einem jungen Offizier der Lanzenreiter, ihrem Großneffen Théodule, küssen ließ.
    Sie hatte eine Freundin, eine nicht minder eifrige Kirchgängerin und alte Jungfer, des Namens Mademoiselle Vaubois; ein vollkommen schwachsinniges Geschöpf, neben dem Fräulein Gillenormand noch als Genie gelten konnte. Vom Agnus Dei und Ave Maria abgesehen, hatte Fräulein Vaubois nur Ansichten über die verschiedenen Methoden, Früchte einzumachen. Sie war ein Musterstück ihrer Art.
    Wir müssen einräumen, daß Fräulein Gillenormand mit zunehmendem Alter eher gewann. Eigentlich bösartig war sie ja nie gewesen, und das ist ja fast schon Güte; ihre Krallen waren von den Jahren abgestumpft worden, sie war jetzt auf eine seltsame Weise traurig, ohne selbst recht den Grund angeben zu können. Ihr ganzes Wesen war Staunen über ein Leben, das zu Ende ging, bevor es begonnen hatte.
    Sonst gab es im Hause nur noch ein Kind, einen kleinen Jungen, dem es die Rede verschlug, wenn Gillenormand nur in die Nähe kam. Der sprach nur streng, ja sogar mit erhobenem Stock zu dem Kleinen.
    »Hierher, Herr Schlingel, vorwärts, Lausejunge! Antworte, Bengel! Daß ich dich mal zu sehen kriege, Strabanzer!«
    Und er vergötterte den Jungen. Es war sein Enkel.

Zweites Buch
Großpapa und Enkel
Ein Salon von Anno dazumal
    Als Gillenormand noch in der Rue Servandoni wohnte, frequentierte er einige sehr gute, höchst exklusive Salons. Obwohl er selbst ein Bürgerlicher war, hatte er dort Zutritt. Er war klug, doppelt klug, denn einmal besaß er seine wirkliche Klugheit, dann aber auch jene, die man ihm nur zutraute – und darum war er sogar gesucht. Und er ging nur in ein Haus, in dem man ihm eine dominierende Rolle bewilligte. Es gibt Leute, die um jeden Preis Einfluß haben wollen und verlangen, daß man sich mit ihnen beschäftigt. Wenn sie nicht als Orakel den Ton angeben können, so wollen sie es wenigstens als Possenreißer. Gillenormand gehörte nicht zu diesen Leuten. Um in den royalistischen Salons, die er besuchte, zu herrschen, legte er seiner Selbstachtung keine Opfer auf. Überall war er das Orakel.
    Gegen 1817 brachte er mit unumstößlicher Regelmäßigkeit wöchentlich zwei

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