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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Nachmittage im Hause seiner Nachbarin, der Baronin de T. zu, einer respektablen Dame, deren Gatte unter Ludwig XVI. Botschafter in Berlin gewesen war. Der Baron war während der Revolution als Emigrant gestorben und hinterließ seiner Gattin, als begeisterter Anhänger des Magnetismus, nichts weiter als zehn in rotes Maroquinleder gebundene handschriftliche Werke – seine höchst erstaunlichen Betrachtungen über Mesmer. Madame de T. hatte, um ihrer Würde nichts zu vergeben, darauf verzichtet, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und lebte von einer kleinen Rente, die ihr von irgendwo, Genaueres wußte man darüber nicht, zufloß. Zum Hofe unterhielt sie keine Beziehungen, weil ihr die Gesellschaft dort zu gemischt war. Einige ihrer Freunde versammelten sich zweimal wöchentlich um den Kamin ihres Witwensitzes und bildeten so einen höchst royalistischen Salon. Man trank Tee, stieß, je nachdem, ob die Zeitstimmung gerade elegisch oder dithyrambisch war, Seufzer oder Entrüstungsschreie aus über das Jahrhundert, über die Verfassung,über die Bonapartisten, über die Prostitution des Blauen Bandes durch seine Verleihung an Bürgerliche, über den Jakobinismus Ludwigs XVIII.; und man unterhielt sich leise über die Hoffnungen, zu denen Seine Königliche Hoheit, der spätere Karl X., berechtigte, hörte mit Entzücken Gassenhauer, in denen Napoléon Nicolas genannt wurde. Herzoginnen, die zartesten und reizendsten Frauen der Welt, gerieten außer sich vor Vergnügen über ordinäre Spottlieder. Dumme Kalauer, die man furchtbar zynisch fand, erregten Sensation.
    Wie manche Kirchen zwei Türme, so hatte der Salon der Baronin T. zwei Löwen. Der eine war Gillenormand, der andere der Graf de la Motte-Valois, von dem man einander mit Hochachtung ins Ohr flüsterte:
    »Sie wissen doch, der de la Motte von der Halsbandaffäre!«
    Die Parteien erlassen oft recht eigenartige Amnestien.
    Gillenormand erschien gewöhnlich in Begleitung seiner Tochter, dieses Fräuleins, das bereits die Vierzig überschritten hatte und wie eine Fünfzigerin aussah, und eines kleinen Jungen von sieben Jahren mit frischer Haut, roten Backen und vergnügten Augen, bei dessen Eintritt die Leute zu flüstern pflegten:
    »Wie hübsch er ist! Wie schade! Das arme Kind!«
    Und so nannte man ihn, weil er »einen Briganten von der Loire« zum Vater hatte.
    Dieser Loirebandit war Herrn Gillenormands Schwiegersohn, und Gillenormand nannte ihn den Schandfleck auf dem Schilde seiner Familie.
Ein »roter Schreck« aus jenen Tagen
    Wer zu jener Zeit über die schöne monumentale Brücke des kleinen Städtchens Vernon schritt, das nun, wie wir wohl hoffen, bald auch durch ein neuzeitliches Scheusal aus Eisen ersetzt werden wird, und bei dieser Gelegenheit über die Brüstung hinabsah, konnte einen etwa fünfzig Jahre alten Mann bemerken, der eine Ledermütze, Hosen und Jacke aus grobem, grauem Tuch und Holzpantinen trug; an der Joppe war etwas Braunes, ein Band, das früher einmal rot gewesen, zu erkennen. Das Gesicht des Mannes war sonnenverbrannt, sein Haar weiß. Eine lange Narbe zog sichquer über die Stirn bis zur Backe hin. Er war gebeugt, vorzeitig gealtert und beschäftigte sich fast täglich, einen Spaten und eine Hacke in der Hand, in einem der kleinen Gärtchen unterhalb der Brücke.
    Er bewohnte um 1817 ein bescheidenes Häuschen auf dem Ufergelände, lebte einsam und dürftig und hatte nur eine Frau, die weder jung noch alt, weder schön noch häßlich, weder städtisch noch ländlich war, als Dienerin bei sich. Das Stückchen Land, das er seinen Garten nannte, war weit und breit bekannt wegen der Schönheit der Blumen, die er zog. Denn diese Blumen zu ziehen, war seine Beschäftigung.
    Bei Morgengrauen ging er schon an die Arbeit, führte einen sehr bescheidenen Tisch, trank eher Milch als Wein. Er war schüchtern, ja sogar fast menschenscheu, ging selten aus und sah fast nur die Armen, die um ein Almosen vorsprachen, oder den Pfarrer des Ortes, den Abbé Mabeuf, einen gutmütigen, alten Mann. Wenn aber jemand aus dem Dorfe oder auch ein Fremder, wer immer es sein mochte, an seiner Tür schellte, um sich die schönen Rosen zu besehen, wurde er freundlich aufgenommen.
    Dieser Gärtner war der Brigant von der Loire.
    Wenn jemand die Memoirenwerke, die Biographien, Zeitungen und Bulletins jener Zeit aufmerksam studiert, stößt er wohl des öfteren auf den Namen Georges Pontmercy.
    Georges Pontmercy war ganz jung in das Regiment von

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