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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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aber wenn ich einmal tot bin, in zwanzig Jahren oder so, arme Kinder, dann habt ihr keinen Sou! Sie werden es nicht leicht haben, Frau Baronin.«
    Jetzt sagte eine ernste, ruhige Stimme:
    »Mademoiselle Euphrasie Fauchelevent besitzt sechshunderttausend Franken.«
    Jean Valjean hatte bisher kein Wort gesprochen. Man hatte fast vergessen, daß er da war.
    »Wer ist denn dieses Fräulein Euphrasie?« fragte der Großvater erstaunt.
    »Ich«, antwortete Cosette.
    »Sechshunderttausend Franken!«
    »Es gehen nur vierzehn- oder fünfzehntausend Franken ab«, fügte Jean Valjean hinzu. Dann legte er das Paket, das Tante Gillenormand für ein Buch gehalten hatte, auf den Tisch. Er machte es selbst auf. Es enthielt ein Bündel Scheine. Man zählte sie und fand fünfhundert Noten zu tausend Franken und hundertachtundsechzig zu fünfhundert.
    »Das nenne ich ein gescheites Buch«, erklärte Gillenormand.
    »Immerhin fünfhundertvierundachtzigtausend Franken«, stammelte die Tante.
    »Das heißt die Dinge auf die Beine bringen, nicht wahr, Fräulein Gillenormand«, rief der Großvater. »Hat dieser Teufelskerl, der immer den Baum der Träume schüttelt, eine kleine Millionärin gefangen! Da soll einer sich noch auf die jungen Leute verlassen! So ein Student findet eine Studentin mit sechshunderttausend Franken! Der Schutzengel macht es besser als Rothschild.«
    »Fünfhundertvierundachtzigtausend Franken«, wiederholte Fräulein Gillenormand, »da kann man ja beinahe sagen: sechshunderttausend Franken!«
    Marius und Cosette hatten einander inzwischen schweigend angesehen; schon achteten sie nicht mehr auf die andern.
Besser, man verbirgt sein Geld im Walde als beim Notar
    Der Leser hat ohne Zweifel begriffen, daß Jean Valjean nach dem Prozeß Champmathieu nur entsprungen war, um nach Paris zu eilen und die Summe bei Lafitte abzuheben, die er unter dem Namen Madeleine in Montreuil sur Mer erworben hatte. Da er fürchtete, wieder gefangen zu werden – was ihm ja in der Tat kurz nachher widerfuhr –, hatte er das Geld im Walde von Montfermeil, auf der Lichtung Blaru, vergraben.
    So war der Mann, den Boulatruelle eines Abends beobachtete, in der Tat Jean Valjean. Später pflegte er immer nach Montfermeil zu kommen, wenn er Geld brauchte. So waren die Reisen zu erklären, von denen wir bereits berichtet hatten. Als er sah, daß Marius genas, glaubte er den Augenblick nahe, da dieses Geld von Nutzen sein konnte; wieder war er von Boulatruelle bemerkt worden. Der Straßenarbeiter erbeutete die Schaufel.
    Der Schatz belief sich in der Tat auf fünfhundertvierundachtzigtausend und fünfhundert Franken. Bei Lafitte hatte Jean Valjean sechshundertdreißigtausend abgehoben. Die Differenz war in den Jahren 1823 bis 1833 verbraucht worden. Die Klosterjahre hatten nur fünftausend Franken gekostet.
    Übrigens wußte Jean Valjean, daß er Javert nicht mehr zu fürchten hatte. Der Moniteur hatte berichtet, daß der Polizeiinspektor Javert zwischen dem Pont-au-Change und dem Pont-Neuf ertrunken aus dem Wasser gezogen worden sei.
Glück und Erinnerung
    Oft dachte Marius insgeheim über diesen Herrn Fauchelevent nach, der sich immer wohlwollend und kalt zeigte. Manchmal zweifelte er an seinen eigenen Erinnerungen. Es gab da eine Lücke, eine dunkle Stelle: vier Monate des Todeskampfes. Viel war verlorengegangen. Jetzt fragte er sich oft, ob dieser Fauchelevent, dieser ernste und ruhige Mensch, wirklich auf der Barrikade gestanden hatte.
    Abgesehen von diesem Problem, gab es noch andere, die ihn nicht ruhen ließen. Gestalten tauchten auf und versanken wieder, ohne daß er recht begriff. Bald sah er Mabeuf fallen, hörte Gavroche im Kugelregen singen, fühlte Eponines kalte Stirn auf seinen Lippen; dann sah er Enjolras, Courfeyrac, Combeferre, Jean Prouvaire, Bossuet, Grantaire, alle seine Freunde; sie tauchten vor seiner Erinnerung auf und verschwanden wieder. Waren alle diese teuren, tapferen Seelen nur Ausgeburten seines Traumes? Hatten sie jemals gelebt? Der ganze Kampf auf der Barrikade versank in seinem Vergessen wie im Pulverdampf. Waren wirklich alle diese Männer gestorben? Ein einziger Sturz hatte sie fortgerissen und nur ihn verschont. Es war, als ob eine ganze Welt hinter einem Theatervorhang verschwunden wäre.
    Und war auch Fauchelevent einer von ihnen? Marius zögerte, wenn er den Greis so ernst und ruhig neben Cosette sitzen sah, ihn für einen der Barrikadenkämpfer zu halten. Vielleicht hatte das Delirium ihm dieses Bild nur

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