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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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auf, nun, dann hält die Kutsche, wo sie mich gerade trifft, und läßt mich einsteigen. Das kommt doch alle Tage vor. Du kennst wirklich das Leben nicht, Liebling.«
    So verging einige Zeit. Plötzlich schien Favourite aus ihrer Nachdenklichkeit erwacht.
    »Nun, und unsere Überraschung?«
    »Ja, wo bleibt die berühmte Überraschung?!« rief Dahlia.
    »Sie sind schon so lange fort«, sagte Fantine.
    Während sie aufseufzte, trat der Kellner, der serviert hatte, ein. Er hielt etwas in der Hand, eine Sache, die einem Brief ähnlich sah.
    »Was ist das?« fragte Favourite.
    »Ein Brief, den die Herren für die Damen zurückgelassen haben.«
    »Und warum haben Sie ihn nicht gleich gebracht?«
    »Weil die Herren befohlen hatten, ihn erst nach einer Stunde zu bestellen.«
    Favourite riß dem Kellner den Brief aus der Hand.
    »Keine Adresse!« rief sie, »aber ja, da steht etwas: Dies ist die Überraschung!«
    Sie erbrach den Brief, und da nur sie lesen konnte, las sie ihn vor.
    »Teure Freundinnen! Wisset, daß wir Eltern haben. Was Eltern sind, davon habt Ihr wohl keine rechte Vorstellung. Im bürgerlichen Recht und im Ehrenkodex wird so etwas Vater und Mutter genannt. Nun, diese Eltern jammern, die alten Leutchen verlangen nach uns, diese braven Männer und Frauen nennen uns verlorene Söhne, wollen, daß wir heimkehren, und machen sich anheischig, zu unseren Ehren ein Kälblein zu schlachten. Da wir tugendhaft sind, folgen wir dem Befehl. Zur Zeit, da Ihr dies leset, bringen uns fünf wackere Rosse zu Papa und Mama. Wir hauen ab, wie der Dichter sagt. Wir verduften – wir sind schon verduftet! Die Toulouser Post reißt uns aus dem Abgrund – und dieser Abgrund seid Ihr, Ihr lieben Kleinen! Wir kehren zurück in die menschliche Gesellschaft, zur Pflicht und Ordnung, und wir haben es sehr eilig, machen drei Meilen in der Stunde. Das Vaterland will, daß wir, wie jeder andere anständige Mensch, irgend etwas werden, Präfekten, Familienväter, Flurhüter oder Staatsräte. Blicket auf zu uns in Verehrung, denn wir sind Männer, die sich zu opfern wissen. Beweinet uns ohne Verzug, dann sorgt für Ersatz. Wenn dieser Brief Eure Herzen zerreißt, so rächt Euch und zerreißt ihn. Lebt wohl!
    Zwei Jahre lang haben wir Euch beglückt. Nichts für ungut!
    Tholomyès
    Fameuil
    Listolier
    Blachevelle

    PS. Das Diner ist bezahlt. –«
    Die vier Mädchen sahen einander an. Favourite war es, die das Schweigen brach.
    »Das ist wenigstens einmal ein guter Witz!«
    »Sehr spaßhaft«, meinte Zéphine.
    »Das hat natürlich Blachevelle ausgeheckt«, vermutete Favourite. »Ich könnte mich in ihn verlieben. Kaum ist er weg, so verliebe ich mich. So geht es.«
    »Nein«, meinte Dahlia, »die Idee ist von Tholomyès. Unverkennbar.«
    »In diesem Falle – nieder mit Blachevelle! Und hoch Tholomyès!« rief Favourite.
    »Hoch Tholomyès!« stimmten Dahlia und Zéphine ein.
    Sie lachten laut. Fantine lachte mit ihnen.
    Als sie aber eine Stunde später nach Hause kam, weinte sie. Es war, wir sagten es schon, ihre erste Liebe gewesen; sie hatte sich diesem Tholomyès wie einem Gatten gegeben, und das arme Mädchen hatte ein Kind.

Viertes Buch
Anvertraut – ausgeliefert
Eine Mutter begegnet einer anderen
    Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts gab es in Montfermeil bei Paris eine kleine Gastwirtschaft, die jetzt nicht mehr existiert. Sie wurde von den Eheleuten Thénardier unterhalten und lag in der Ruelle du Boulanger. Über der Tür war ein Brett angebracht, das irgendein Bild zeigte, etwas wie einen Mann, der einen anderen auf dem Rücken trägt, und dieser andere hatte ungeheure Generalsepauletten aus Gold und breite Silbersterne; rote Kleckse stellten das Blut dar, das übrige Gemälde bestand aus Rauch, und das Ganze bedeutete wohl eine Schlacht. Darunter konnte man die Aufschrift sehen:
    Zum Sergeanten von Waterloo.
    Nichts ist gewöhnlicher als eine Fuhre oder eine Karre vor der Tür einer Herberge. Das Gefährt aber, oder besser gesagt, das Bruchstück von Gefährt, das vor der Kneipe »Zum Sergeanten von Waterloo« an einem Frühlingsabend des Jahres 1818 stand, hätte gewiß allein schon durch seinen Umfang die Aufmerksamkeit eines Malers auf sich gezogen, der da zufällig vorbeigekommen wäre.
    Es war das Vordergestell eines Blockwagens, wie sie in bewaldeten Gegenden zum Transport von Baumstämmen benutzt werden. Dieses Gestell bestand aus einer massiven Achse aus Eisen, in die eine mächtige Deichsel gesteckt war und die von

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