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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Vorfalls. Ein im Departement Unbekannter, ein gewisser Madeleine, hatte im Laufe der letzten Jahre vermittels eines neuen Verfahrens eine alte Lokalindustrie, die Fabrikation von Jett und schwarzem Glas, bedeutend gehoben. Damit hatte er seinen und, wir müssen es offen zugeben, des Arrondissements Wohlstand begründet. In Anerkennung seiner Verdienste war er zum Bürgermeister ernannt worden. Die Polizei hat festgestellt, daß dieser Madeleine ein alter Galeerensträfling ist, ein gewisser Jean Valjean, der 1796 wegen Diebstahls verurteilt wurde. Jean Valjean ist wieder dem Bagno zugeführt worden. Vor seiner Verhaftung scheint es ihm gelungen zu sein, einen Betrag von über einer halben Million, den er bei Laffitte deponiert hatte, abzuheben, Geld, das er allem Anschein nach durchaus ehrlich erworben hatte. Es war nicht zu ermitteln, wo Jean Valjean diese Summe verborgen hat, bevor er wieder nach Toulon gebracht wurde.«
    Der zweite Artikel, etwas ausführlicher, erschien unter dem gleichen Datum im »Journal de Paris«.
    »Ein entlassener Bagnosträfling, ein gewisser Jean Valjean, erschien unlängst vor den Assisen von Var unter Umständen, die geeignet waren, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen. Es war diesem Verbrecher gelungen, die Wachsamkeit der Polizei zu täuschen. Er hatte seinen Namen gewechselt und war schließlich sogarzum Bürgermeister einer Kleinstadt im Norden ernannt worden. Dort hatte er ein recht einträgliches Geschäft gegründet. Seine Entlarvung und Verhaftung ist dem unermüdlichen Eifer des Ministeriums zu danken. Zur Konkubine hatte er eine öffentliche Dirne, die bei seiner Festnahme vor Schreck starb. Der Verbrecher, der mit herkulischen Kräften ausgestattet ist, fand ein Mittel zu entspringen; aber schon drei oder vier Tage später konnte ihn die Polizei wieder aufgreifen, eben als er in Paris in die Postkutsche stieg, die den Verkehr der Hauptstadt mit Montfermeil (Seine-et-Oise) vermittelt. Man sagt, daß er sich diese drei oder vier Tage der Freiheit zunutze gemacht hat, um wieder in den Besitz einer beträchtlichen Summe zu gelangen, die er bei einem unserer größten Bankiers hinterlegt hatte. Diese Summe wird mit sechs- oder siebenhunderttausend Franken angegeben. Nach dem Anklageakt soll er das Geld an einem nur ihm bekannten Ort verborgen haben; in der Tat hat man es nicht wieder auffinden können. Jedenfalls ist der besagte Jean Valjean den Assisen des Departements Var vorgeführt worden. Der Bandit verzichtete darauf, sich zu verteidigen. Das Gericht konnte den Beweis erbringen, daß er seine Räubereien in Gemeinschaft mit andern vollbracht hat und Mitglied einer Räuberbande im Süden war. Demgemäß ist Jean Valjean, schuldig befunden, zum Tode verurteilt worden. Der Verbrecher hat darauf verzichtet, Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Seine Majestät haben in ihrer unerschöpflichen Güte geruht, diese Strafe in lebenslänglichen Dienst auf den Galeeren umzuwandeln. Jean Valjean ist unverzüglich dem Bagno zu Toulon zugeführt worden.«
    Unsere Leser haben nicht vergessen, daß Jean Valjean in Montreuil sur Mer zu den Kirchenbesuchern gezählt hatte. Nur so ist es zu erklären, daß einige Journale, unter anderm der »Constitutionnel«, diese Strafumwandlung für einen Triumph der kirchlichen Partei erklärten.
    Jean Valjean bekam eine neue Nummer. Er hieß jetzt im Bagno 9 430.
    Übrigens wollen wir, um nicht noch einmal darauf zurückkommen zu müssen, feststellen, daß mit Herrn Madeleine auch der Wohlstand von Montreuil sur Mer verschwand. Nach seinem Sturz kam es zu einer sehr egoistischen Teilung, einer Zerstückelung des blühenden Werks, wie derlei sich in der menschlichen Gesellschaft tagtäglich vollzieht, obwohl die Geschichte nur einen einzigen solchenFall, die Aufteilung des alexandrinischen Reichs, notiert hat. Wenn sich damals die Unterführer zu Königen gekrönt hatten, so wollten jetzt die Werkmeister Fabrikanten werden. Wilde Konkurrenz war die Folge. Madeleines geräumige Werkstätten wurden geschlossen, die Bauten verfielen, die Arbeiter zerstreuten sich. Manche verließen die Stadt, andere gingen zu anderen Beschäftigungen über. Alles wurde klein, statt zu wachsen. Es fehlte an einem Zentrum. Madeleine hatte alles geleitet. Sobald er gefallen war, zog jeder an seinen Seilen – dem Geist der Organisation folgte der des eifersüchtigen Wettstreits, dem der freudigen Zusammenarbeit der der Mißgunst. Die von Madeleine angeknüpften Verbindungen

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