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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Der Gelbe, der ihn wohl nicht gesehen hatte, trug Stock und Bündel in der Hand.
    »So früh schon auf den Beinen?« fragte die Thénardier. »Wollen der Herr uns schon verlassen?«
    Dabei drehte sie verlegen die Rechnung in den Händen und kniff mit ihren Nägeln das Blatt. Ihr Gesicht zeigte zwei Gefühle, die ihr ganz fremd waren, Schüchternheit und Bedenken. Offenbar schien es ihr gewagt, einem Gast, der so ärmlich aussah, eine solche Rechnung zu präsentieren.
    Der Fremde dagegen sah nachdenklich und zerstreut aus.
    »Ja, ich gehe.«
    »Hat denn der Herr nicht Geschäfte in Montfermeil?«
    »Nein, ich bin nur auf der Durchreise. Was bin ich Ihnen schuldig?«
    Wortlos reichte sie ihm die Rechnung.
    Der Fremde entfaltete das Blatt und sah es an; aber seine Gedanken weilten offenbar anderswo.
    »Machen Sie denn gute Geschäfte hier in Montfermeil?« fragte er plötzlich.
    »Es geht, mein Herr«, erwiderte sie erstaunt, keine Abfuhr zu bekommen. »Allerdings, die Zeiten sind schwer«, fuhr sie klagend fort. »Bürgerliche Herrschaften kommen so selten zu uns. Alles kleine Leute. Wenn wir öfters reiche und freigebige Gäste wie Sie hätten … die Ausgaben sind so groß. Die Kleine zum Beispiel, was das kostet, man könnte den Kopf verlieren.«
    »Welche Kleine?«
    »Nun, die Kleine, Sie wissen doch, Cosette.«
    »Ach so.«
    »Man verdient nichts, aber Steuern soll man bezahlen, Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Gemeindesteuern für Türen und Fenster, Pachtsteuer! Der Herr weiß, wie unersättlich die Regierung ist. Und dann habe ich doch auch meine Töchter. Anderer Leute Kinder zu ernähren, habe ich wirklich nicht nötig.«
    Mit einer Stimme, die gleichgültig klingen sollte, aber doch zitterte, fragte der Fremde:
    »Wenn man sie Ihnen wegnähme?«
    Das gerötete Gesicht der Wirtin strahlte.
    »Ach, guter Herr, nehmen Sie sie doch, nehmen Sie sie gleich mit, wickeln Sie sie in Zucker und Butter und seien Sie von der Heiligen Jungfrau und allen Heiligen im Paradies gesegnet!«
    »Abgemacht!«
    »Sie wollen sie sofort mitnehmen?«
    »Sofort, rufen Sie sie.«
    »Cosette!« schrie die Thénardier.
    »Inzwischen kann ich ja die Rechnung bezahlen. Wieviel macht es?«
    Er warf einen Blick auf die Rechnung und konnte eine Bewegung des Erstaunens nicht unterdrücken. »Dreiundzwanzig Franken?«
    Dieser Satz schloß mit einem Rufzeichen und einem Fragezeichen.
    Doch die Thénardier hatte sich inzwischen gefaßt. Ruhig erwiderte sie:
    »Ja doch, mein Herr, dreiundzwanzig Franken.«
    Der Fremde legte fünf Fünffrankenstücke auf den Tisch.
    »Holen Sie die Kleine«, sagte er.
    In diesem Augenblick trat Thénardier vor und sagte:
    »Der Herr hat sechsundzwanzig Sous zu bezahlen.«
    »Sechsundzwanzig Sous?« fragte die Frau.
    »Zwanzig für das Zimmer und sechs für das Abendbrot. Und was die Kleine betrifft, muß ich mit dem Herrn noch sprechen. Laß uns allein.«
    Die Thénardier hatte eine jener Ahnungen, die blitzhaft in einem wachen Gehirn auftauchen. Sie spürte, daß jetzt der Star die Bühne betrat, und ging wortlos hinaus.
    Als die beiden allein waren, bot Thénardier dem Fremden einen Stuhl an. Dieser setzte sich, während Thénardier stehenblieb; sein Gesicht drückte Gutmütigkeit und Einfalt aus.
    »Ich möchte Ihnen nur sagen, mein Herr«, begann er, »daß ich dieses Kind von Herzen gern habe. Es ist komisch, aber man gewöhnt sich an so etwas. Was soll dieses Geld da? Nehmen Sie doch die Fünffrankenstücke weg. Wahrhaftig, ich mag die Kleine schrecklich gern!«
    »Wen?«
    »Na, die kleine Cosette. Sie wollen sie uns wegnehmen? Nun, ich will mit Ihnen ganz offen sprechen, so aufrichtig, wie Sie ein Ehrenmann sind. Ich kann das nicht zugeben. Sie würde mir fehlen. Von klein auf war sie bei uns. Wohl wahr, daß sie uns teures Geld kostet, sie hat auch ihre Fehler, und wir sind weiß Gott nicht reich! Wahr ist auch, daß ich, als sie krank war, vierhundert Franken für sie ausgegeben habe. Aber der liebe Gott will, daß man auch einmal etwas Gutes tut. Sie hat weder Vater noch Mutter. Ich habe sie aufgepäppelt. Für sie und für mich habe ich immer Brot. Wirklich, ich hänge an ihr. Man gewinnt so etwas lieb, verstehen Sie. Ich bin vielleicht nicht sehr gescheit, aber ein gutmütiger Kerl bin ich. Bei mir geht nicht alles nach der Rechenmaschine. Ich habe sie gern, die Kleine, und wenn meine Frau auch etwas heftig ist, sie mag sie auch. Für uns ist sie wie ein eigenes Kind. Ich möchte garnicht mehr leben,

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